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RECHT
_SOZIALVERSICHERUNG
personalmagazin 03/17
pflichten und Meldeschlüssel aufmerk-
sam gemacht.
Der erste Eindruck nach dieser Anfra-
ge: Ein clever gemachtes System, dessen
Vorteil darin liegt, dass nur die Informa-
tionen erscheinen, die für die Ausgangs-
frage relevant sind. Insbesondere die
Schlussauswertung ist dabei von prak-
tischem Nutzen und gibt dem System
einen Mehrwert. Das dürfte für alle Ab-
fragen gelten, bei denen der Anwender
checklistenartig über Ja-Nein-Abfragen
und -Zuordnungen von Entgeltgrößen
oder Zeitangaben geführt wird.
Die Grenze für eine Brauchbarkeit
als elektronische Entscheidungshil-
fe zeigt sich aber bei unserer zweiten
Frage. Diesmal steigen wir bei der vom
System vorgeschlagenen Frage ein: „Sie
wollen prüfen, ob Sie bei Beauftragung
eines Selbstständigen Sozialabgaben
zahlen müssen?“ Hier bekamen wir in
einer ganzen Reihe von Dialogvarianten
durchweg folgenden Ergebnisbericht:
„Es kann nicht eindeutig festgestellt
werden, ob es sich bei der Beauftragung
um eine selbstständige Tätigkeit oder
um eine Scheinselbstständigkeit han-
delt. Sie sollten Kontakt zur Deutschen
Rentenversicherung aufnehmen, um
die Beurteilung im konkreten Einzelfall
vorzunehmen. Weiterführende Hinweise
finden Sie in der Zusammenfassung.“
Der erste Eindruck nach dieser An-
frage: Bei rechtlich komplexen Beurtei-
lungen, wie der Abgrenzung zwischen
Beschäftigungsverhältnis und versiche-
rungsfreier selbstständiger Tätigkeit,
sollte der Nutzer nicht unnötig durch
Dialoge geschleust werden. Hier wäre es
zielführender, den Praktiker unmittelbar
darauf hinzuweisen, dass sich sein Pro-
blem leider (noch) nicht durch eine noch
so smarte Abfragetechnik im Internet
lösen lässt.
THOMAS MUSCHIOL
ist Fach
autor mit Schwerpunkt im Ar-
beits- und betrieblichen Sozial
versicherungsrecht in Freiburg.
formationen bei so gut wie allen Kran-
kenkassen im Internet abrufbar war.
Wer die Eingangsseite aufruft, findet
die Antwort schnell: Der Nutzer wird
von Beginn an über eine Fragetechnik
an sein zu lösendes Problem geführt,
das dann durch weitere Abfragen weiter
eingegrenzt wird.
Selbstversuch: kurzfristig Beschäftigte
und Scheinselbstständige beurteilen
Dazu haben wir folgenden Selbstver-
such gestartet. Unsere erste Frage: Kann
ich einen neu eingestellten Mitarbeiter
als kurzfristig Beschäftigten in der Sozi-
alversicherung beitragsfrei stellen? Die
Lösung des elektronischen Sachbearbei-
ters: Nach nur einem Klick auf den Ein-
gangsbutton werden wir über mehrere
Dialogschritte mit Ja- und Nein-Fragen,
Angaben über das monatliche Entgelt,
Zusatzfragen zu Einmalzahlungen und
Beschäftigungszeiten bis zu einem Er-
gebnis gelotst, das da lautet: „Aufgrund
ihrer Eingaben wurden nicht mehr als
70 Arbeitstage beziehungsweise drei
Monate ermittelt, sodass kein Hinder-
nis für die Beschäftigung des Arbeit-
nehmers als kurzfristigen Minijobber
besteht.“ Anschließend werden über
eine Schlussauswertung weitere Infor-
mationen über die Besonderheiten von
kurzfristigen Beschäftigungen zusam-
mengestellt, insbesondere auf Melde-
Eine einfache Auskunft wird eine später festgestellte sozialversicherungsrechtliche
Fehleinschätzung nicht ändern. Anders wird meist ein Verwaltungsakt wirken.
Ob man sich noch herkömmlich bei der Einzugsstelle der Krankenkasse oder Minijobzen-
trale erkundigt oder sich schon auf einen digitalen Dialog mit dem neuen Informations-
portal einlässt: Weder von Gesprächsnotizen mit einem menschlichen Sachbearbeiter
noch von ausgedruckten Internetseiten wird sich ein Betriebsprüfer sonderlich beein-
drucken lassen, wenn er eine sozialversicherungsrechtliche Fehleinschätzung feststellt
und eine rückwirkende Verbeitragung vornimmt. Die Frage, ob man sich auf eine davon
abweichende frühere Auskunft berufen kann, wird erst dann rechtlich erheblich, wenn
diese nicht als allgemeine Auskunft, sondern in Form eines Verwaltungsaktes für den
konkreten Sachverhalt erteilt worden ist. Dieser Verwaltungsakt hindert zwar den
Betriebsprüfer nicht, eine davon abweichende Beurteilung vorzunehmen. Dazu muss
jedoch der früher ergangene Verwaltungsakt aufgehoben werden. Nach § 45 SGB X
besteht dann im Regelfall Vertrauensschutz, sodass dann eine Änderung für die Zukunft,
aber keine Nachverbeitragung mehr in Betracht kommt.
Für die Praxis bedeutet dies: Man sollte sich insbesondere in Risikofällen nicht mit
allgemein gehaltenen Auskünften begnügen, sondern bei der Einzugsstelle um Antwort
zum konkreten Sachverhalt unter Nennung der Betriebs- und Versichertendaten bitten.
Formvorschriften für einen Verwaltungsakt gibt es nicht. Dieser kann nach § 33 SGB X
„schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden.“ Insoweit
bestünde auch bei telefonischer Anfrage bei der Einzugsstelle ein Veraltungsakt, sofern
eine mündliche Auskunft über einen konkret bezeichneten Sachverhalt oder ein konkret
bezeichnetes Versicherungsverhältnis gegeben wurde. Dass dies bei einer späteren
Betriebsprüfung aber kaum noch beweistüchtig darlegbar ist, dürfte selbstredend sein.
Also doch lieber schriftliche Anträge stellen? Nicht unbedingt, denn das bürgerfreund-
liche Sozialgesetzbuch bestimmt in § 33 SGB X weiter: „Ein mündlicher Verwaltungsakt
ist schriftlich oder elektronisch zu bestätigen, wenn hieran ein berechtigtes Interesse
besteht und der Betroffene dies unverzüglich verlangt. Ein elektronischer Verwaltungs-
akt ist unter denselben Voraussetzungen schriftlich zu bestätigen; § 36a Abs. 2 des
Ersten Buches findet insoweit keine Anwendung.“
Die richtig rechtssichere Auskunft
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