20
TITEL
_ZUKUNFTSFÄHIGKEIT
personalmagazin 03/17
Die Darstellungen zu 100 Jahre Führungsforschung sind dem Buch
„Internationale Führung“ von Felix Brodbeck entnommen, das
auch die Belege der im Text zitierten Fakten enthält. In dem leicht
verständlichen Werk sind zwanzig Jahre interkulturelle Führungs-
und Organisationsforschung des GLOBE-Projekts auf das Wesent-
liche zusammengefasst und für den Einsatz in der Praxis globaler
Führung und Organisation aufbereitet.
Brodbeck, Felix C.: Internationale Führung
262 Seiten, Springer 2016, 24,99 Euro
BUCHTIPP
gungsarbeit und kritischer Reflexion des
eigenen Führens, um Weggefährten und
sich selbst nicht in die Irre zu führen
beziehungsweise führen zu lassen.
These 3: Führen ist soziale Einfluss
nahme – ob Sie es wollen oder nicht
Für Führung in Organisationen gibt es
unzählige wissenschaftliche Definitio-
nen. Nahezu allen ist das „zielbezogene,
soziale Einflussnehmen auf andere“ ge-
meinsam. Das kann mittelbar wie unmit-
telbar geschehen. Mittelbar wird durch
soziale Strukturen wie Normen-, Rollen-,
Anreiz-, HR- und Rechtssysteme geführt,
unmittelbar durch Personen, die mit an-
deren interagieren, kommunizieren und
soziale Beziehungen eingehen (etwa
zwischen Führenden und Geführten).
Wie oben erwähnt, ist es möglich, durch
„laissez faire“ nicht zu führen, aber es ist
nicht möglich, wie Paul Watzlawik for-
mulierte, nicht zu kommunizieren. Denn
auch unterlassene Kommunikation und
fehlende Beziehungsregulation übermit-
teln eine Botschaft, zum Beispiel „Mach,
was du willst“ oder „Du bist mir egal“.
These 4: Charakter und Intelligenz
wirken – zum Teil
Seit Beginn der Führungsforschung
sucht man für die Personalauswahl
nach stabilen Personenmerkmalen be-
sonders produktiver Führungskräfte
(beispielsweise emotionale Stabilität,
Intelligenz, Leistungsmotivation). Durch
Metaanalysen wissen wir heute, dass
Zusammenhänge zwischen stabilen Per-
sonenmerkmalen und der Produktivität
von Führungskräften bestehen. Vier der
fünf Big-Five-Persönlichkeitsdimensio-
nen (OCEAN-Modell: Offenheit für Neu-
es, Gewissenhaftigkeit, Extraversion und
emotionale Reife) korrelieren signifikant
positiv mit harten Indikatoren der Pro-
duktivität. Ähnliche Zusammenhänge
zeigen sich für Intelligenz. Anhand der
empirisch festgestellten Korrelations-
stärken lässt sich berechnen, welcher
Prozentanteil der Produktivität von Füh-
rungskräften sich durch Unterschiede ih-
rer Persönlichkeit und Intelligenz vorher-
sagen lässt. Dabei kommt man auf circa
15 Prozent für die Kombination der Big-
Five-Persönlichkeitsdimensionen und auf
weitere circa fünf Prozent für Intelligenz.
In der Abbildung auf Seite 19 sind diese
und weitere Prädiktoren der Produktivi-
tät von Führungskräften dargestellt.
Zwanzig Prozent sind aber noch nicht
die ganze Torte. Charakter und Intelli-
genz mögen zwar zu großen Teilen ange-
boren sein, das Ausmaß und die Art und
Weise, in der sie beimFühren verhaltens-
prägend wirksam werden, wird jedoch
durch Enkulturation und Sozialisation
in der Familie, in Bildungsinstitutionen
und in Organisationen beeinflusst. Hier-
bei spielen Lernprozesse und kulturelle
Faktoren wie etwa Normen, Werte, Ein-
stellungen und Grundüberzeugungen ei-
ne maßgebliche Rolle. Sie beeinflussen
in hohem Maße die Zukunftsfähigkeit
von Führungskräften.
These 5: Produktives Führungsverhal
ten ist erlernbar
Zahlreiche Studien über das Führungs-
verhalten belegen, dass aufgaben- und
mitarbeiterorientiertes Führungsverhal-
ten die Produktivität in Unternehmen
positiv beeinflussen. Das sind Verhal-
tensweisen, die sich direkt auf die Be-
wältigung der Arbeitsaufgaben beziehen
(beispielsweise Zielvorgaben, Leistungs-
rückmeldung, konstruktives Feedback),
und den Mitarbeitern Wertschätzung si-
gnalisieren (wie Anerkennung, soziale
Unterstützung, Höflichkeit). Rechnet man
die wiederum meta-analytisch festgestell-
ten Korrelationsstärken in entsprechen-
de Prozentanteile der Produktivität von
Führungskräften um, so kommt man auf
circa fünf Prozent für Aufgabenorientie-
rung und circa fünf Prozent für Mitarbei-
terorientierung.
These 6: Produktives Führen ist ziel
angemessene Beziehungsregulation
Neuere Führungstheorien erweiterten
die bis dato in Forschung und Praxis do-
minierende „Great Man“-Theorie eines
einseitigen, zielhierarchisch gelenkten
sozialen Einflusses von Führenden auf
Geführte um die sogenannte LMX-An-
nahme (Leader-Member-Exchange), die
besagt, dass durch Führung prinzipiell
bi-direktionale Beziehungen zwischen
Führenden und Geführten zu organisie-
ren sind. Dabei gibt es zwei Arten der
Beziehungsregulation: transaktive Füh-
rung und transformative Führung.
Bei der transaktiven Führung wird
auf einen angemessenen Austausch von
Ressourcen (und Risiken) geachtet: die
Geführten bekommen etwas, das sie in-
teressiert (wie Belohnung, Anerkennung,
attraktive Aufgaben) und sie geben etwas,
das die Führenden interessiert (beispiels-
weise Zielerreichung, Anerkennung im
Unternehmen). Transaktive Führung
sorgt dafür, dass die Geführten den ziel-
hierarchischen Richtungsvorgaben ihrer