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personalmagazin 03/17
TITEL
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ZUKUNFTSFÄHIGKEIT
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S
ind deutsche Unternehmen auf
die Zukunft vorbereitet? Bislang
sind von der neuen Arbeitswelt
nur Konturen erkennbar. Als
Trends zeichnen sich Digitalisierung,
Flexibilisierung, Transparenz und eine
zunehmende Dynamik ab. Unternehmen
stehen so vor der Herausforderung, durch
Innovationskraft und neue Geschäfts-
modelle wettbewerbsfähig zu bleiben
und zeitgleich leistungsstarke Mitarbei-
ter zu gewinnen und zu binden. Um zu
ergründen, inwieweit Unternehmen im
deutschsprachigen Raum diese Bedin-
gungen heute schon erfüllen, ließ das For-
schungsinstitut Leap in Time, ein Spin-Off
der Technischen Universität Darmstadt,
gemeinsam mit der Arbeitgeber-Bewer-
tungsplattform Kununu 1,9 Millionen
Xing- und Kununu-Nutzer ihre aktuellen
Arbeitgeber online bewerten. Bei den Be-
wertungen der fast 8.000 Unternehmen
wurden zwei Schwerpunkte abgefragt:
• die Zukunftsfähigkeit anhand des
„Future Work Navigators“
• die aktuelle Arbeitgeberattraktivität
anhand des Kununu-Arbeitgeber-Score.
Dimensionen der Zukunftsfähigkeit
Aufbauend auf dem Ansatz der dynami-
schen Fähigkeiten und dem Ansatz orga-
nisationaler Ambidextrie unterscheidet
der Future Work Navigator vier Dimen-
sionen die zukunftsfähige Unternehmen
ausmachen: Das ist zum einen die Zu-
kunftsorientierung. Sie zeigt, inwieweit
Unternehmen wichtige Zukunftstrends
Von
Ruth Stock-Homburg, Carmen Lukoschek
und
Sarah Müller
systematisch erkennen und aufbauend al-
ternative Zukunftsszenarien entwickeln.
Dimension zwei ist die Anpassungsfä-
higkeit, also die Fähigkeit, existierende
Arbeitsweisen und Produkte kontinuier-
lich zu optimieren. Darüber hinaus erfin-
den sich zukunftsfähige Unternehmen
regelmäßig neu - sind also, als dritte Di-
mension, hochgradig gestaltungsfähig.
Dies kann durch das Ausprobieren neuer
Arbeitswelten in Form von Inkubatoren
oder unternehmensweiten Kampagnen
erfolgen. Gerade hier ist wichtig, dass die-
se neuen Arbeitskonzepte nicht losgelöst
vom Kerngeschäft praktiziert, sondern
sinnvoll integriert werden. Damit kommt
die vierte Dimension ins Spiel, die Inte-
grationsfähigkeit. Sie gibt an, wie gut
Unternehmen heutige und zukünftig er-
folgversprechende Arbeitskonzepte sinn-
voll und reibungslos verbinden.
Führend: IT und Finanzdienstleistung
Das Forschungsteam von Stock-Homburg
stellte den Bundesdurchschnitt des Fu-
ture Work Score (FWS) von 6.500 deut-
schen Unternehmen dem FWS Score aus-
gewählter Branchen gegenüber – es zeigt
sich, dass einige Branchen durchaus heu-
te schon auf die Herausforderungen der
zukünftigen Arbeitswelt vorbereitet sind.
Insbesondere die IT-Industrie, aber auch
der Finanzdienstleistungssektor zeigen
sich in Sachen Zukunftsfähigkeit auf
einem guten Weg und können als Lern-
modell für andere Branchen gesehen wer-
den. Auf den ersten Blick mag das gute
Abschneiden gerade des Finanzdienst-
leistungssektors erstaunen; tatsächlich
jedoch beschäftigt sich diese Branche wie
kaum eine andere mit Digitalisierungs-
themen und wird von Start-ups wie Fin-
tech Firmen (Firmen, die Finanzdienstlei-
stungen mit wegweisender Technologie
verknüpfen) getrieben. Auch haben sich
Kooperationen und Allianzen zwischen
den eher „traditionellen“ Banken und
Start-ups etabliert.
Interessanterweise gehen nicht in al-
len Branchen die vier Dimensionen des
Future Work Score Hand in Hand. So fo-
kussiert sich die Elektroindustrie stark
auf das Jetzt und Heute, experimentiert
jedoch kaum mit neuen Arbeitskonzep-
ten. Ein ähnliches Defizit weist der Handel
auf – überraschend angesichts der hier
beobachtbaren hohen Dynamik durch Di-
gitalisierung und sich ständig ändernder
Kundenbedürfnisse. Um hier erfolgreich
zu sein, müssen diese Unternehmen
durch Ausprobieren permanent einen
Schritt vorausdenken.
Im Transport- und Logistikbereich
wird wiederum über Strategien zur Zu-
kunftsfähigkeit viel debattiert, an der
Umsetzung hapert es jedoch. Auch fehlt
es hier noch an einer aktiven Verknüp-
fung der treibenden Dimensionen von
Anpassungs- und Gestaltungsfähigkeit,
wie sich in der vergleichsweise niedrigen
Integrationsfähigkeit zeigt. Ähnliches
gilt für die Pharma/Chemie-Branche.
Die Branchen Maschinenbau und der
Öffentliche Sektor setzen demgegenüber
noch stark auf die kontinuierliche, aber
einseitige Optimierung ihrer Arbeitswei-
sen und Produkte. Um mit dem Verän-
derungsdruck der Digitalisierung jedoch
Schritt halten zu können, ist hier eine
Öffnung hin zu neuen Geschäftsmodel-
Auf die Zukunft vorbereitet
STUDIE.
Leap in Time und Kununu untersuchten die Zukunftsfähigkeit von 6.500 deut-
schen Unternehmen. Fazit: Fast alle sind sensibilisiert, doch längst nicht alle handeln.
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