personalmagazin 03/2016 - page 74

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RECHT
_BERUFSRECHT
personalmagazin 03/16
E
s kann getrost als Paukenschlag
bezeichnet werden, das Urteil
des Bundessozialgerichts (BSG)
zur Rentenbefreiung bei Freibe-
ruflern aus dem Jahr 2012. Das Gericht
hatte eine langjährige Praxis gekippt
und entschieden: Die Befreiung von
der gesetzlichen Rentenversicherungs-
pflicht sei bei Freiberuflern auf die je-
weils konkrete Beschäftigung begrenzt.
Bei einem Arbeitgeberwechsel oder
einer wesentlichen Änderung der Tä-
tigkeit endet die Befreiung automatisch
und es bedarf einer erneuten Prüfung.
Soweit, so bekannt.
Keine Befreiung für Syndikusanwälte
Weiter zugespitzt hat sich die Situati-
on für Anwälte, die in Unternehmen
oder Verbänden beschäftigt sind: 2014
entschied das BSG, dass für diese Syn-
dikusanwälte generell keine Befreiung
von der Rentenversicherungspflicht er-
teilt werden könne. Im Zusammenspiel
mit dem ersten Urteil hatte das BSG
also recht abrupt – weil entgegen der
jahrzehntelangen Praxis – die tragende
Versorgungssäule unzähliger Unterneh-
mensjuristen ins Wanken gebracht.
Zwar hat die Deutsche Rentenversi-
cherung (DRV) daraufhin mit mehreren
Verlautbarungen insbesondere zum Ver-
trauensschutz versucht, wieder für klare
Verhältnisse zu sorgen. Die vor allem für
Syndikusanwälte missliche Lage rief je-
doch alsbald deren Interessenvertreter
und schließlich den Gesetzgeber auf den
Plan. Das Ergebnis: Im Eiltempo wurde
Von
Michael Miller
(Red.)
ein Gesetz zur Neuordnung des Rechts
der Syndikusrechtsanwälte, wie die Un-
ternehmensjuristen nun genannt wer-
den, umgesetzt. Start: Januar 2016.
Seitdem dreht sich die Diskussion
vorrangig um die speziellen Zulassungs-
voraussetzungen der Unternehmensju-
risten. Es bleibt jedoch auch die Frage:
Was folgt für Arbeitgeber aus diesem
Gesetz? Und: Hat es mittelbar Auswir-
kungen auf andere angestellte Freiberuf-
ler und deren Arbeitgeber?
Zunächst bringen die neuen Regeln
eine grundlegende Veränderung im Sys-
tem der Anwälte: Kümmerte sich bislang
der angestellte Rechtsanwalt neben der
Zulassung um die Befreiung bei der DRV,
ist nun eine Art Automatismus vorgese-
hen: Erhält der Syndikusrechtsanwalt
seine Zulassung von der Anwaltskam-
mer, ist die DRV daran gebunden und
muss die Befreiung – auf Antrag – ertei-
len. Klar, die DRV ist im Zulassungsver-
fahren beteiligt und hat ein Klagerecht
gegen die Entscheidung der Kammer.
Dennoch verschiebt der Gesetzgeber die
Verantwortung hin zur Anwaltskammer.
Diese – und nicht mehr die DRV – hat
künftig primär anhand von vier Krite-
rien (§ 46 Abs. 3 Bundesrechtsanwalts-
ordnung (BRAO)) zu prüfen, ob eine
anwaltliche Tätigkeit vorliegt. Und: ob
diese Tätigkeit sowie das Arbeitsverhält-
nis durch fachliche Unabhängigkeit und
Eigenverantwortung geprägt ist. Späte-
stens jetzt dürften Arbeitgeber aufhor-
chen, überschneidet sich die fachliche
Unabhängigkeit doch schnell mit dem
Direktionsrecht des Arbeitgebers. Wo-
rauf hier zu achten ist, erklärt Rechtsan-
walt Christoph Herrmann im Interview.
Gesetz normiert BSG-Vorgaben
Ein wenig aufhorchen lässt auch die Re-
gelung des in § 46b Abs. 4 BRAO, und
zwar alle Arbeitgeber – betrifft sie doch
den Inhalt des ersten BSG-Urteils. Nun
mildert das Gesetz die Folgen der Ent-
scheidung nicht ab. Zumindest sind je-
doch die Kriterien der Rechtsprechung,
eine wesentliche tätigkeitsbezogene Än-
derung des Arbeitsvertrags oder die we-
sentliche Änderung der Tätigkeit, klar
formuliert. Eine Ändeung führt im Übri-
gen zur Anzeigepflicht bei der Kammer
und zur neuerlichen Prüfung der Zulas-
sung für die geänderte Tätigkeit.
Allerdings bleiben Fragen: beispiels­
weise jene, wann die Änderungen der
Tätigkeit wesentlich sind. Wie sehr müs-
sen also die Arbeitsinhalte divergieren,
dass die Befreiung von der Rentenver-
sicherungspflicht automatisch endet?
Konkrete Antworten hierauf betreffen
natürlich auch andere Arbeitgeber –
nicht nur jene von Anwälten. Da die
BRAO diese Antworten jedoch nicht gibt,
bleibt die Hoffnung auf die nächste An-
passung einer Berufsordnung.
Gesetz im Eiltempo
ÜBERBLICK.
Das Gesetz für Syndikusrechtsanwälte bringt für Arbeitgeber Neuerun­
gen. Es stellt jedoch auch Vorgaben der Rechtsprechung klar – zum Teil zumindest.
Urteil
Ein BSG-Urteil (Az. 5 RE 13/14 R)
vom 3. April 2014 im Volltext (HI7183816)
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