personalmagazin 03/2016 - page 71

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03/16 personalmagazin
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gen werden musste, dass in der Realität
dieser Minderheitsgesellschafter „Kopf
und Seele“ der Firma ist, an dessen Ent-
scheidung quasi niemand vorbeikommt.
Sperrminorität und Darlehenshingabe
als Ausnahmebegründung?
Die Eheleute konnten zum Beweis einer
gleichberechtigten Führung der Firma
auch noch handfeste vertragliche Bestim-
mungen aus dem GmbH-Gesellschafter-
vertrag vorweisen. Darin war nämlich
festgelegt, dass sämtliche Beschlüsse der
Gesellschaft nur wirksam seien, wenn sie
Nicht immer sind die Betriebsprüfer darauf aus, partout Sozialversicherungsbeiträge
einzunehmen. Bei Arbeitsverträgen zwischen Ehegatten kann es daher durchaus zur
Feststellung kommen, dass kein Beschäftigungsverhältnis besteht.
Nicht immer wird ein Familienunternehmen bestrebt sein, mitarbeitende Ehegatten
partout als versicherungsfreie Mitunternehmer anerkannt zu bekommen. Im Gegenteil:
Häufig werden die wirtschaftlichen Vorteile einer Abrechnung als Arbeitnehmer als
Grund genommen, um von vornherein ein Arbeitsverhältnis zu begründen. So ist das
ausbezahlte Gehalt eine Betriebsausgabe, die Rentenversicherungsbeiträge werden
dem Ehegatten auf dem Rentenkonto gutgeschrieben, der Schutz in der gesetzlichen
Krankenversicherung ist gesichert. Schließlich kann die Anmeldung als Arbeitnehmer
auch dafür sorgen, dass im Falle einer Krise Ansprüche auf Kurzarbeiter- oder Arbeits-
losengeld bestehen. Was bei der Wahl eines Arbeitsvertrags für den mitarbeitenden
Ehegatten aber durchaus auch passieren kann: eine ungewohnte Reaktion der Sozial-
versicherungsträger dergestalt, dass quasi „ungefragt“ ein Bescheid auftaucht, der das
„Nichtbestehen eines Beschäftigungsverhältnisses“ feststellt. Was auf den ersten Blick –
vor dem Hintergrund, dass die Sozialversicherungsträger ansonsten um jeden Beitrags-
zahler froh sind – als „verkehrte Welt“ anmutet, ist jedoch beabsichtigt.
Verwaltungstechnisch ist der Bescheid das Ergebnis eines obligatorischen, von Amts
wegen durchzuführenden Statusfeststellungsverfahrens. In § 7a Abs. 1 Satz 2 SGB IV
wird dazu bestimmt, dass die Einzugsstelle ein solches Feststellungsverfahren einzulei-
ten hat, „wenn der Beschäftigte Ehegatte, Lebenspartner oder Abkömmling des Arbeit-
gebers oder der geschäftsführender Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter
Haftung ist“. Ausgelöst wird es durch die Pflicht eines jeden Arbeitgebers diesen Perso-
nenkreis gemäß § 28a SGB IV bei der Anmeldung mit einem speziellen Meldeschlüssel
gesondert zu kennzeichnen.
Das Vorgehen ist nicht von der Absicht des Gesetzgebers getragen, sogenannte Schein-
selbstständigkeit aufzudecken. Vielmehr soll das Gegenteil ans Tageslicht kommen: die
Fälle, in denen ein „Scheinarbeitsvertrag“ aufgesetzt wird, bei dem nicht die Arbeits-
leistung, sondern das Erreichen eines Versicherungsverhältnisses im Vordergrund steht.
Insofern ergänzen sich die Sozialversicherungsprüfer mit ihren Kollegen vom Finanzamt.
Denn auch bei einer Lohnsteuerprüfung werden Ehegattenarbeitsverhältnisse nach einer
amtlichen „Checkliste“ unter die Lupe genommen. So kann es durchaus passieren, dass
auch das Finanzamt einem Ehegattenarbeitsvertrag die Anerkennung versagt.
Scheinbar verkehrte Welt – Teil 1
STATUSFESTSTELLUNG
wenn deren juristische Bewertung in
Gestalt einer sozialversicherungsrechtli-
chen Statusprüfung ins Spiel kommt. Im
vorliegenden Fall änderte ein Bescheid
die gelebte Praxis: Dieser stellte fest,
dass die „Chefin“ – jedenfalls im Sinne
der Sozialversicherung – keine solche
sein könne. Vielmehr stünde sie in ei-
nem sozialversicherungsrechtlich ab-
hängigen Beschäftigungsverhältnis und
somit wären für sie auch Sozialversiche-
rungsbeiträge zu entrichten. Angewandt
hatten die behördlichen Statusfeststeller
dabei ihre Grundsätze zur Sozialversi-
cherungspflicht von GmbH-Gesellschaf-
tern, die generell bei mitarbeitenden
Gesellschaften, dann eine Einstufung als
Arbeitnehmer vornehmen, wenn die for-
melle Firmenbeteiligung unterhalb der
Marke von 50 Prozent liegt.
Allerdings gab es bis zur getroffenen
Grundsatzentscheidung des BSG immer
wieder Sozialgerichte, die bei Famili-
enbetrieben eine Ausnahme machten.
Sie billigten auch den Familienmitglie-
dern einen sozialversicherungsfreien
Arbeitgeberstatus zu, die nach dem
Gesellschaftsvertrag formell nur einen
Minderanteil an der GmbH halten. Als
Voraussetzung hatten diese darzulegen,
dass aufgrund der konkreten Familien-
verhältnisse keinerlei arbeitsrechtliche
Weisungen an das Familienmitglied er-
gehen oder dass sogar davon ausgegan-
Sonne oder dunkle
Wolken? Das BSG ver-
schärft im sogenannten
„Schönwetter-Urteil“
die Regeln für Minder-
heitsgesellschafter.
© DAN BROWNSWORD/CULTURA/CORBIS
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