personalmagazin 03/2016 - page 70

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RECHT
_BESCHÄFTIGUNGSVERHÄLTNIS
personalmagazin 03/16
E
s gibt ihn noch, den klassischen
Familienbetrieb, der von Eheleu-
ten in traditioneller Arbeitstei-
lung geführt wird. Insbesondere
in Handwerksbetrieben ist es dann meist
der Ehemann, der für das Kerngeschäft
zuständig ist, während die Ehefrau die
kaufmännische Seite managed – oder
wie es früher hieß: „das Büro macht“. So
war es auch in einem vom Bundessozial-
gericht (BSG) entschiedenen Fall (Urteil
vom 19.8.2015, Az. B 12 KR 9/14 R), bei
dem auf einen Malerbetrieb genau diese
Voraussetzungen zutrafen. Der Ehemann
wickelte die Maleraufträge mit den Mit-
arbeitern ab und die Ehefrau war für das
Kaufmännische, insbesondere für die
Lohnabrechnungen und die Buchhal-
tung, zuständig.
Eheleute praktizierten gleich-
berechtigte Unternehmensführung
Beide sahen sich als Firmeninhaber an
und keiner wäre auf den Gedanken ge-
kommen, zu seinem Ehegatten in einem
arbeitsrechtlichen Weisungsverhältnis
oder einer Vorgesetztenfunktion zu ste-
hen. Mit anderen Worten: Die Ehefrau
hatte im Malerbetrieb die Funktion, die
man gemeinhin als „Chefin“ bezeichnet.
Dies galt aber nicht nur für das Ver-
ständnis der Kunden und Mitarbeiter,
sondern auch für das Selbstverständnis
beider Ehegatten, die davon ausgingen,
dass alle wesentlichen Entscheidungen
stets im gegenseitigen Einvernehmen
getroffen werden. Als offizielle Rechts-
form für ihre Firma hatten die Eheleu-
Von
Thomas Muschiol
te allerdings die GmbH gewählt, bei
der der Ehemann über 90 Prozent der
Anteile, die Ehefrau dagegen nur über
zehn Prozent verfügte. Diese Schiefla-
ge hinderte die Eheleute jedoch nicht
daran, an ihrer gleichberechtigten und
weisungsfreien Unternehmensführung
festzuhalten. Gestützt war ihr entspre-
chender Vortrag im Gerichtsverfahren
dadurch, dass sie im Gesellschaftsver-
trag ausdrücklich festgeschrieben hat-
ten, dass alle Entscheidungen stets der
Einstimmigkeit bedürfen.
Die strenge Sozialversicherungssicht
auf Minderheitsgesellschafter
Soweit die Lebenswirklichkeit, mit der
es aber bekanntlich dann ein Ende hat,
Schönwetter-Selbstständigkeit
URTEILE.
Das Eheleben bleibt bei der Sozialversicherung außen vor. Wenn Eheleute
gemeinsam eine GmbH führen, gilt nur der Mehrheitsgesellschafter als Chef.
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