personalmagazin 9/2016 - page 34

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MANAGEMENT
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personalmagazin 09/16
Widerstand der Unternehmen ziemlich
groß. Hat sich das inzwischen gelegt?
Wottawa:
Die Kritik bezog sich damals
kaum auf fachliche Inhalte, sondern vor
allem darauf, dass die Norm die Freiheit
einschränke, den Bewerber einzustel-
len, den man einstellen möchte. Dabei
war und ist das völlig falsch. Hier muss
man zwischen der Eignungsaussage
und der Einstellungsentscheidung dif-
ferenzieren. Natürlich kann ein Unter-
nehmen auch weiterhin einen Bewerber
einstellen, der nicht der geeignetste ist.
personalmagazin:
Eine weitere Klage war
auch die zusätzliche Bürokratie durch
die Norm.
Wottawa:
Das war natürlich auch nicht
ganz von der Hand zu weisen. Aber in-
zwischen gibt es viel strengere Daten-
schutzregeln und die Unternehmen sind
gezwungen, über ihre Abläufe und ihre
Dokumentation nachzudenken. Dazu
kommt das Allgemeine Gleichbehand-
lungsgesetz, das AGG. Wer sich an die
Din hält, gewinnt jeden AGG-Prozess.
Insofern ist das Argument von der zu-
sätzlichen Bürokratie überholt.
personalmagazin:
Was wurde jetzt verbes-
sert?
Wottawa:
Verbessert wurde vor allem
die Verständlichkeit. Wir wussten zwar
schon damals, dass sich die Norm wohl
als einzige DIN-Norm in erster Linie an
Laien wendet, aber es war uns nicht
klar, was es dabei alles an Missver-
ständnissen geben kann. So ist es zum
Beispiel eine Bedingung, vor Beginn des
Auswahlverfahrens Regeln für die Ent-
„Mit DIN auf der sicheren Seite“
INTERVIEW.
Die DIN-Norm 33430 zur berufsbezogenen Eignungsdiagnostik ist umfas-
send überarbeitet worden. Was das für HR bringt, erklärt Professor Heinrich Wottawa.
personalmagazin:
Um was geht es in der
DIN 33430 eigentlich genau?
Heinrich Wottawa:
Die DIN 33430 hilft bei
der sinnvollen Gestaltung des Prozesses
der Eignungsfeststellung. Im Kern steht
dabei die Bewerberauswahl. Die Einstel-
lung eines neuen Mitarbeiters ist ja eine
Entscheidung von erheblicher Tragweite
für beide Seiten und führt bei falschen
Entscheidungen auch zu erheblichen fi-
nanziellen Konsequenzen für das Unter-
nehmen. Daher sollte man auf fundierte
Entscheidungsgrundlagen bauen.
personalmagazin:
Warum musste die Norm
überhaupt überarbeitet werden?
Wottawa:
Die Norm gibt es seit 2002. Es
ist Vorschrift, dass eine DIN zehn Jah-
re nach Inkrafttreten überarbeitet wird.
Wir haben 2012 damit begonnen, aber
das hat sich dann länger hingezogen,
als wir gedacht haben. Grund war unter
anderem eine ungewöhnlich hohe Zahl
von Einsprüchen von allen möglichen
Stellen, von Testanbietern ebenso wie
von Unternehmen. Offenbar nimmt man
die Norm inzwischen deutlich ernster
als 2002.
personalmagazin:
Welche Einsprüche gab
es denn?
Wottawa:
Ein Vorwurf war zum Beispiel,
dass in der Norm Begriffe verwendet
würden, die im Unternehmen nicht
üblich sind. Das haben wir korrigiert.
So wurde der Begriff „Auftragnehmer“
durch den „verantwortlichen Eignungs-
diagnostiker“ ersetzt. Statt „Mitwirken-
de“ heißt es jetzt „Beobachter“. Andere
wiederum fanden die Norm sogar zu
wenig restriktiv oder wollten eine Pro-
duktnorm für Testverfahren.
personalmagazin:
Warum wurde keine Pro-
duktnorm für Testverfahren erstellt?
Wottawa:
Weil das nicht machbar ist.
Man kann Instrumente nicht losgelöst
von der intendierten Verwendung be-
werten. Nehmen wir das Beispiel „Mes-
ser“: Mit einem guten Brotmesser kann
ich Brot schneiden, es kann aber völlig
unbrauchbar für die Nutzung als Ta-
schenmesser sein. Ebenso müsste man
bei Tests immer den jeweiligen Kontext
berücksichtigen, und das lässt sich nicht
darstellen. Hinzu kommt, dass Verfah-
ren je nach dem erfassten Konstrukt und
den alternativen Messmöglichkeiten un-
terschiedlich zu bewerten sind. Für die
Vorhersage eines späteren illoyalen Ver-
haltens von Bewerbern könnte auch ein
nach den üblichen Kriterien schlechter
Test das beste Instrument bei der Be-
werberauswahl sein, wenn die Alterna-
tive die Auswahl nach dem Blickkontakt
oder Händedruck ist.
personalmagazin:
Als die Norm 2002
erstmals veröffentlicht wurde, war der
LINKTIPP
Die DIN 33430 „Anforderungen an be-
rufsbezogene Eignungsdiagnostik“ kann
beim Beuth Verlag in Berlin kostenpflichtig
bezogen werden unter dem Weblink
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