DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 11/2017 - page 25

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11|2017
spielraum im Erdgeschoss, ein Mehrzwecksaal,
Werkstätten und ein Proberaum im Souterrain
sowie das gesamte Dachgeschoss mit Sauna,
Bibliothek, drei Gästeappartements und einem
Dachgarten. Hinzu kommen eine Lebensmittel-
einkaufsgemeinschaft, ein Gemüsegarten und
ein Mittagstisch. Organisiert wird alles von den
Bewohnern. Sie haben sich in einem Verein zu-
sammen geschlossen und sich zu monatlich elf
Stunden gemeinnütziger Arbeit verpflichtet.
Nutzen statt besitzen
Das Haus ist Gemeinschaftseigentum. Der Verein
vermietet dieWohnungen für ein Nutzungsentgelt
in Höhe von 9,69 €/m
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an seine Mitglieder. Darin
enthalten sind Kosten für die Nutzung der Gemein-
schaftsflächen, Betriebskosten und der laufende
Vereinsbeitrag. Die Energiekosten belaufen sich
bei einemvierköpfigen Haushalt in einer 100-m
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-
Wohnung auf rund 90 € monatlich. Zur Finanzie-
rung der Baukosten kommen einmalig Eigenmittel
in Höhe von 570 €/m
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hinzu. Sie werden bei Aus-
zug zurückbezahlt. Derzeit wohnen 100Menschen
imHaus, rund 60 Erwachsene und rund 40 Kinder.
Zwei der Wohnungen stehenMenschenmit gerin-
gemEinkommen zur Verfügung undwerden durch
einen von der Gruppe gegründeten Solidaritäts-
fonds subventioniert. In einemGästeappartement
wohnt eine syrische Flüchtlingsfamilie.
Nachhaltig leben
Das Gebäude wurde in Massivbauweise mit hin-
terlüfteten Holzfassaden ausgeführt. Bei der
Zu den Gemeinschaftsflächen, die den Bau auszeichnen, gehört
natürlich auch eine große gemeinschaftliche Küche
Das Projekt erhielt viele Preise, u. a. den österreichischen Staatspreis für Architektur
Auswahl der Baustoffe achteten die Planer auf
gesundheitlich unbedenkliche Materialien. Foli-
en, Rohre, Fußbodenbeläge, Elektroinstallationen,
Sonnenschutz, Fenster und Türen enthalten kein
PVC. Unter anderem deshalb erhielt es 2014 den
österreichischen Staatspreis für Architektur und
Nachhaltigkeit. Das Niedrigenergiehaus ist an das
Fernwärmenetz der Stadt Wien angeschlossen. Es
verfügt über eine kontrollierteWohnraumlüftung
samt Wärmerückgewinnung über einen Erdwär-
metauscher. Auf dem Dach ist eine Photovoltaik-
anlage installiert.
Bemerkenswert ist, dass es dem Verein durch
die Rechtsform „Wohnheim“ gelungen ist, für
39 Wohneinheiten nur acht Pflichtstellplätze
zu errichten. Diese sind ebenso wie die sechs
Fahrzeuge des Carsharing in der Tiefgarage des
Nachbargebäudes untergebracht. Viele Bewohner
haben dank der guten Anbindung an öffentliche
Verkehrsmittel kein eigenes Auto. Für Fahrräder
steht ein großer Raum im Erdgeschoss mit mehr
als 100 Plätzen zur Verfügung.
Wie es sich im „Wohnprojekt Wien“ lebt, schildert
die Bewohnerin Barbara Nothegger auf humorvolle
Weise in ihremBuch „Sieben Stock Dorf“ (Residenz
Verlag, ISBN9783701734092, 176 Seiten, 19 €).
Sie räumt ein, dass sich das hohe persönliche En-
gagement und die beträchtlichen Einstiegskosten
bei gemeinschaftlichen Wohnprojekten kaum auf
breite Bevölkerungsschichten und den konventi-
onellen Wohnungsmarkt übertragen lassen. Aber
die vielen Preise und Auszeichnungen für ihr Haus
zeigten, dass es eine Quelle der Inspiration für Ar-
chitekten, Stadtplaner und Bauträger sei.
Bauherr:
Schwarzatal Gemeinnützige Wohnungs- und
Siedlungsanlagengesellschaft, Wien
Eigentümer:
Verein für nachhaltiges Leben – Wohnprojekt Wien
Architektur:
Einszueins Architektur, Wien
Wohnnutzfläche:
3.300 m
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Wohneinheiten:
39
Gemeinschaftsfläche:
700 m
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Gewerbefläche:
350 m
2
Baukosten:
9,8 Mio. €, 1.430 €/m
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Staatliche Förderung:
Förderdarlehen der Stadt Wien in Höhe von 2,3 Mio. €
Fertigstellung:
2013
„WOHNPROJEKT WIEN“: PROJEKTDATEN
Quelle: Birgit Reiter
Quelle: Andrea Pollach
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