HR-Software-Kompendium - page 26

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HR-SOFTWARE
_TALENTMANAGEMENT
spezial Softwarekompendium 2017
personalmagazin:
Könnten Personalmana-
ger solche Auswertungen für ihr Unter-
nehmen mit entsprechenden Tools nicht
auch selbst durchführen?
Strohmeier:
Personalwirtschaftlichen
Endanwendern lediglich größere Daten-
mengen und leistungsfähige Predictive-
Analytics-Werkzeuge bereitzustellen,
wird unserer Erfahrung nach kaum
funktionieren. Da die Ausarbeitung von
Anwendungsszenarien aufwendig und
technisch-methodisch anspruchsvoll ist,
wird diese von den Personalabteilungen
kaum angegangen. Insofern begrüßen
wir das Angebot von Predictive-Ana-
lytics-Funktionalitäten in HCM-Syste-
men, denn so können der Praxis mög-
liche Anwendungen vorgeschlagen und
über einfaches Ausprobieren evaluiert
werden.
personalmagazin:
Wie funktioniert eine
Vorhersage mit Predictive Analytics im
Detail?
Strohmeier:
Predictive Analytics zielt auf
das Erkennen von Datenmustern in Ver-
gangenheitsdaten und die Verwendung
dieser Datenmuster für die Vorhersage
künftiger Ereignisse. Um beispiels-
weise die Kündigungswahrscheinlich-
keit eines Mitarbeiters vorherzusagen,
benötigt man einen aussagefähigen
Datenbestand, der neben Daten zum
Kündigungsverhalten auch mögliche
Prädiktoren enthält, also etwa Daten zu
Gehalt, Alter, Leistung oder Hierarchie-
stufe. Datenmustererkennende Metho-
den können dann die aussagekräftigs-
ten Prädiktoren identifizieren und zur
Prognose künftiger Fälle heranziehen.
„Die Daten sind die Limitation“
INTERVIEW.
Einige HCM-Systeme wollen auf Basis bestehender Daten Vorhersagen
ermöglichen. Professor Stefan Strohmeier über die Anwendbarkeit in der Praxis.
personalmagazin:
Neue HCM-Systeme ver-
sprechen neuen Nutzen durch „Predictive
Analytics“ – der Vorhersage bestimm-
ter Ereignisse. Beispielsweise sollen
Unternehmen auf der Grundlage des
Kommunikationsverhaltens der Mitar-
beiter erkennen können, wer demnächst
kündigt. Ist das realistisch?
Stefan Strohmeier:
Tatsächlich bieten ei-
nige Softwareanbieter – häufig US-
amerikanischer Herkunft – erste Pre-
dictive-Analytics-Funktionen an und
transportieren das Thema so in die
Personalabteilungen. Güte und Nutzen
von Predictive Analytics im HR-Bereich
lassen sich aber nicht generell bewer-
ten. Vielmehr sind Einzelfallbetrach-
tungen notwendig. Insofern bedürfte
auch der von Ihnen angesprochene Fall,
Kündigungsprognosen auf der Basis
von Kommunikationsdaten zu erstellen,
einer detaillierten Analyse. Vorab kann
aber gesagt werden, dass Kommunikati-
onsdaten, beispielsweise der Mail- und
Telefonverkehr sowie Social-Media-Ak-
tivitäten von Mitarbeitern, hierzulande
datenschutzrechtlich fragwürdig sind.
Predictive Analytics im HR-Bereich ist
damit zunächst einmal eine sehr inter-
essante Option, der man – wie wir schon
seit einiger Zeit fordern – nachgehen
sollte.
personalmagazin:
Welche Entscheidungen
im personalwirtschaftlichen Bereich
könnten aus Ihrer Sicht mit Predictive
Analytics sinnvollerweise unterstützt
werden?
Strohmeier:
In der Tat stellt genau das die
zentrale Fragestellung dar. Von einer
zufriedenstellenden Beantwortung sind
wir allerdings noch ein Stück weit ent-
fernt. Grundsätzlich existieren in der
Literatur und neuerdings auch in den
Angeboten von HR-Softwareherstellern
und HR-Dienstleistern einige erste An-
wendungsszenarien. Mit der Kündiger­
analyse haben Sie bereits eines ange-
sprochen, weitere verbreitete Szenarien
beziehen sich etwa auf die Vorhersage
von Absentismus oder des künftigen
Erfolgs von Bewerbern. Allerdings sind
damit die Potenziale noch lange nicht
ausgelotet. Ich kann mich an dieser
Stelle nur wiederholen, dass eine sys-
tematische und konkrete Ausarbeitung
möglicher Anwendungsszenarien eine
sinnvolle und notwendige Vorgehens-
weise ist. Dabei ist zu evaluieren, für
welche konkreten HR-Fragestellungen
welche konkrete Predictive-Analytics-
Methode auf Basis welcher konkreter
Daten sinnvolle und nützliche Vorhersa-
gen erlaubt.
„Mögliche Predictive-
Analytics-Szenarien
können eine Kündiger-
analyse sein, die Vorher-
sage von Absentismus
oder des künftigen
Erfolgs von Bewerbern.“
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