HR-Software-Kompendium - page 27

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spezial Softwarekompendium 2017
Das Interview führte
Daniela Furkel.
Manche Methoden legen die gefunde-
nen Muster offen. So generieren Klas-
sifikationsbaumverfahren Regeln zum
Kündigungsverhalten, etwa: Wenn die
Dauer der bisherigen Tätigkeit vierein-
halb Jahre ist und wenn der Mitarbeiter
unter 38 Jahre alt ist und wenn er männ-
lich ist und wenn er die Gehaltsstufe E13
oder E14 hat und et cetera, dann erfolgt
die Kündigung. Solche Regeln können
dann manuell oder automatisiert zur
Prognose des künftigen Kündigungsver-
haltens anderer Mitarbeiter herangezo-
gen werden.
Andere Methoden legen die gefunde-
nen und verwendeten Muster nicht
offen, wie etwa für neuronale Netze.
Diese können beispielsweise angeben,
um wie viel Prozent die Kündigungs-
wahrscheinlichkeit nach einer gewissen
Personalmaßnahme – etwa der Nichtge-
währung einer Gehaltserhöhung – an-
steigt, ohne das die zugrunde liegenden
mathematischen Zusammenhänge auf-
gedeckt werden. Für alle Methoden der
Predictive Analytics gilt allerdings, dass
diese immer nur Wahrscheinlichkeiten
eines gewissen Ereignisses prognosti-
zieren können – eine enttäuschungsfrei
zutreffende Vorhersage der Zukunft ist
damit nicht möglich.
personalmagazin:
Sind in den Unternehmen
überhaupt genügend Daten vorhanden,
um Muster zu identifizieren, Prognosen
abzuleiten und potenzielle Handlungs-
möglichkeiten zu bewerten?
Strohmeier:
In der Tat stellt die Verfügbar-
keit geeigneter Daten, insbesondere in
Deutschland, eine klare Limitation von
Predictive Analytics dar. Um nochmals
auf das Beispiel der Prognose des Kün-
digungsverhaltens zurückzukommen:
Liegen zentrale Ursachen mitarbeiter-
seitiger Kündigungen in spezifischen
Verhaltensweisen von Führungskräften
wie etwa mangelnde inhaltliche Unter-
stützung, mangelnde Anerkennung von
Arbeitsleistungen und werden solche
Verhaltensweisen, wie in deutschen
Unternehmen üblich, nicht erfasst und
als Daten abgebildet, dann haben mus-
tererkennende Verfahren auch keine
Chance, solche Zusammenhänge aufzu-
decken und zur Prognose zu verwenden.
personalmagazin:
Können Sie ein weiteres
Beispiel nennen?
Strohmeier:
Auch mit Blick auf die Iden-
tifikation innovativer Handlungsmög-
lichkeiten bilden verfügbare Daten eine
Limitation. Stellt ein Unternehmen bei-
Auch das weithin diskutierte perma-
nente Anwachsen personalwirtschaft-
licher Datenbestände bringt hier nur
eingeschränkt Abhilfe, denn brauch-
bare Prognosen benötigen eben eher
„Right Data“ als „Big Data“. Eine Abhilfe
bestünde schlicht darin, benötigte, aber
nicht verfügbare Daten eigens zu erhe-
ben. Der damit ohne Frage einhergehen-
de hohe Aufwand lässt dies aber wohl
nur in Ausnahmefällen zu.
personalmagazin:
Inwiefern kann der stren-
ge deutsche Datenschutz Vorhersagen,
die sich auf einzelne Mitarbeiter bezie-
hen, verhindern? Eignen sich Predictive
Analytics hierzulande möglicherweise
nur für Teams und nicht für Einzelper-
sonen?
Strohmeier:
Wie jede andere Verarbeitung
von Daten unterliegt natürlich auch
Predictive Analytics dem Datenschutz,
wenn und insoweit personenbezogene
Daten verarbeitet werden. Dies ist häu-
fig der Fall, aber nicht immer notwendig.
Beispielsweise könnten die eben ange-
sprochenen Regeln zum Kündigungs-
verhalten auf Basis vollständig anony-
misierter Daten erstellt werden. Aber
Predictive Analytics beschränkt sich
keineswegs auf die Vorhersage individu-
ellen Mitarbeiterverhaltens. Vielmehr
existieren auch sinnvolle aggregierte
Prognosen, beispielsweise künftiger Ab-
sentismus in einer Organisationseinheit
oder künftiges Kündigungsverhalten
einer Job-Kategorie. Auch dies gestaltet
sich rein datenschutzrechtlich eher un-
problematisch. Noch restriktiver als die
reinen Datenschutzregelungen dürften
meiner Meinung nach aber die Mitbe-
stimmung durch Arbeitnehmervertre-
tungen und der Akzeptanzmangel einer
in Datenanalysefragestellungen häufig
hochsensiblen
Arbeitnehmerschaft
wirken. Nicht nur in den Personalabtei-
lungen, sondern gerade auch an diesen
Stellen ist daher noch viel Aufklärungs-
und Akzeptanzarbeit zu leisten.
PROF. DR. STEFAN STROHMEIER
ist
Inhaber des Lehrstuhls Management-Infor­
mationssysteme an der Universität Saarbrü-
cken. Er beschäftigt sich unter anderem mit
den Potenzialen und Risiken von Big Data
für HR, Management und Mitarbeiter.
spielsweise für kaufmännische Ausbil-
dungsberufe stets nur Abiturienten ein,
obwohl Nicht-Abiturienten mit Blick
auf Retention und Langzeitleistung ei-
gentlich geeigneter wären, dann exis-
tieren für Nicht-Abiturienten notwen-
digerweise keinerlei Daten in diesem
Unternehmen. Genau diese wären aber
notwendig, damit eine mustererkennen-
de Methode aufzeigen könnte, dass die
bisherige Einstellungspraxis verbesse-
rungsfähig ist. Die Datenverfügbarkeit
ist damit ein klar limitierender Faktor.
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