wirtschaft und weiterbildung 11-12 /2017 - page 16

menschen
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wirtschaft + weiterbildung
11/12_2017
NOBELPREISTRÄGER.
Den diesjährigen Nobelpreis
für Wirtschaftswissenschaften erhielt der 72 Jahre
alte Ökonomieprofessor Richard H. Thaler, der an der
Universität Chicago lehrt. Er gilt als der Pionier der
Verhaltensökonomie. Einem breiten Publikum wurde
er durch seinen Bestseller „Nudge – Wie man kluge
Entscheidungen anstößt“ bekannt.
Da Trainer und Coachs sich dafür interessieren, ob und wie
man menschliches Verhalten verändern kann, werden sie am
diesjährigen Nobelpreisträger Richard H. Thaler nicht vorbei-
kommen. Er hat gezeigt, wie man psychologische und soziale
Mechanismen nutzen kann, um die Entscheidungen und das
Verhalten von Konsumenten, Angestellten oder Investoren zu
beeinflussen. Der frischgebackene Preisträger ist ein scharfer
Kritiker des volkswirtschaftlichen Konzepts vom Menschen als
„Homo oeconomicus“, der seine Entscheidungen immer ratio-
nal trifft und seinen Nutzen optimiert. Für Thaler ist die Ratio-
nalität eines Menschen sehr begrenzt, denn er achte zum Bei-
spiel nicht nur auf den Eigennutz, sondern sei oft selbstlos und
wolle auch, dass es in der Welt fair zugehe. So akzeptierten
Konsumenten die Einführung eines Mindestlohns – auch wenn
dadurch der Preis bestimmter Dienstleistungen ansteige. Au-
ßerdem seien die Menschen oft zu bequem, um ihren Nutzen
(durch Preisvergleiche) zu optimieren oder sie dächten oft nur
an eine kurzfristige Bedürfnisbefriedigung und bereuten es erst
viel später, nicht genug Geld gespart zu haben.
Die Verhaltensökonomen gehen davon aus, dass ein Mensch
sowohl von einem impulsiven, emotionalen „Ich“ als auch von
einem abwägenden, planenden „Ich“ gesteuert wird. Dass die
Entscheidungen, die Menschen für sich selbst treffen, in den
Augen Dritter manchmal echt dumme Fehlentscheidungen
seien, liege daran, dass beide „Ichs“ gleichzeitig aktiv seien
und (obwohl sie oft gut zusammenarbeiteten) manchmal das
Foto: Scott Olson / gettyimages.de
Verhalten ändern
durch „anstupsen“
impulsive „Ich“ einfach zu schnell sei, um noch gebremst wer-
den zu können. Selbsttäuschung und Denkfehler seien deshalb
nicht zu vermeiden.
Thaler will auf keinen Fall, dass der Staat seinen Bürgern das
Leben mit Verboten schwer mache. Er schlägt unterschwellig
wirkende Psychotricks vor, um ungünstige Verhaltensmuster
aufzulösen. Ein Beispiel: In den USA verschickte ein Strom-
versorger eine monatliche Energiebilanz an alle Haushalte.
Jeder konnte seinen Stromverbrauch mit dem des effizientes-
ten Nachbarn vergleichen. Außerdem gab es Energiespartipps
und kleine Geschenke für eigene Einsparerfolge. Der Strom-
verbrauch sank in der Folge um zwei Prozent gegenüber einer
Vergleichsgruppe. Das sei ein größerer Effekt gewesen als ihn
Preissteigerungen hätten bewirken können, behauptet Thaler.
Entwürdigende Bevormundung oder ...
Der Brief mit der Energiebilanz wird in Kreisen der Verhal-
tensökonomen als „Anstupser“ („Nudge“) bezeichnet. Wie
man Menschen „anstupst“, haben Richard Thaler und sein
Professoren-Kollege Cass Sunstein in ihrem Buch „Nudge“
beschrieben, das als die „Bibel der Verhaltensökonomik“ gilt.
Zahlreiche Anstups-Ideen aus diesem Buch haben offenbar den
Praxistest bestanden. An einem Flughafen wurden zum Bei-
spiel die Schilder verbannt, die das Rauchen verbaten. Statt­
dessen wurden „Rauchen-erlaubt-Zonen“ ausgewiesen. Otto
Richard H. Thaler.
In der Aula
der Universität Chicago feierte
der Professor am 9. Oktober
mit Studenten die Nachricht,
dass er zum Wirtschaftsnobel-
preisträger des Jahres 2017
ernannt worden ist.
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