messen und kongresse
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wirtschaft + weiterbildung
01_2016
Damit sei die Rechnung für das Hernstein
Institut, das in den Jahren zuvor immer
alleiniger Gastgeber eines Hernstein Sym-
posiums war, aufgegangen: „Als Partner
haben wir verschiedene Stärken genutzt,
Unterschiede schätzen gelernt und vor
allem unsere Kunden- und Kollegen-
Communities zusammengebracht. So
kam eine unheimlich bunte Runde zu-
sammen.“
Natürlich hat ein Event wie Next Orga-
nizing nicht nur eine Außenwirkung,
sondern bewegt eine Bildungs- und Bera-
tungsorganisation auch intern, wie Eva-
Maria Ayberk rückblickend beschreibt:
„Mit dem Mut, den eigenen Wirkungs-
kreis zu verlassen und mit anderen Ver-
anstaltern zu arbeiten, haben wir nicht
nur für die Teilnehmer viel Mehrwert
geschaffen. Der Tag war auch für uns
enorm bereichernd. Wir haben viel von-
einander gelernt.“
Auch Kristy Meade, die bei Zappos be-
reits einige Jahre Erfahrung mit Holacracy
sammeln durfte, nimmt viel mit: „Da ich
viel für große Unternehmen gearbeitet
habe, die Holacracy praktizieren, war ich
ziemlich auf Holacracy fokussiert. Es war
deshalb großartig für mich, mehr über
andere Methoden der Selbstorganisation
und ihre Umsetzung zu erfahren.“
Viel Raum für Reaktionen
und Gespräche
Wenn die Teilnehmer am Abend nach
der Networking-Runde gut gelaunt nach
Hause gingen, dann sicherlich aus dop-
peltem Grund: Erstens haben sie ein Ge-
fühl der Gemeinsamkeit erlebt – und das
Gespür, dass sich etwas bewegt. In allen
Bereichen der Wirtschaft geraten Pyrami-
den, die auf Hierarchie, Macht und Sta-
tus gebaut sind, ins Wanken. Zweitens
besitzen sie die nicht weniger wichtige
Erkenntnis, dass auch andere Organi-
sationen mit ehrgeizigen Vorhaben der
Organisationsveränderung starten, strau-
cheln und weitermachen. „Ansätze und
Theorien sind da, die Umsetzung steckt
in den Anfängen, der Bedarf ist groß“,
fasst Melanie Vones von Netcentric den
Tag zusammen. Ihrer Meinung nach passt
das Veranstaltungsformat optimal zum
Thema: „Die Veranstaltung hat ein sehr
flexibles Umfeld geschaffen und damit
Raum für Reaktionen, Kreativität und
sehr gute Gespräche.“
Um genau das zu erreichen, hatten die
Veranstalter ihre Beraterbrillen ablegen
und mehr Gastgeber als Ratgeber sein
müssen. Eine Positionierung, die für Bil-
dungsanbieter in Zukunft ebenso zwin-
gend sein dürfte wie für Berater – nicht
nur die Zeit der Machtpyramiden ist vor-
bei, sondern auch die Zeit, in der von
Consultants und Trainern fertige Lösun-
gen erwartet wurden. Gefragt sind inspi-
rierende Lernmomente, offene Gespräche
und Begegnungen von Menschen mit
demselben Ziel.
Dr. Lisa Kratzer
R
Holacracy: Was steckt dahinter?
Robertson wollte seinen Mitarbeitern helfen, mit der stän-
dig steigenden Komplexität ihrer Aufgaben fertigzuwer-
den. Die Transparenz der Arbeit in einem Team oder einer
Organisation wird nach seiner Meinung durch Holacracy
entscheidend verbessert und die Entscheidungsprozesse
werden schlank und effektiv.
Robertson verteilt die Macht, die in der Regel nur bei den
Managern liegt, auf „Kreise“, die aus „Rollen“ zusammen-
gesetzt sind. Teammitglieder übernehmen „Rollen“ (Arbei-
ten) und stimmen sich mit anderen „Rollen“ perfekt ab, weil
es verbindliche Kooperationsregeln und Meeting-Prozesse
gibt. Der zentrale Koordinationsaufwand wird stark redu-
ziert. Jede „Rolle“ richtet sich am Zweck des Unternehmens
aus. Ein Teammitglied kann mehrere Rollen gleichzeitig
ausfüllen.
Zusammengehörige Rollen bilden einen „Kreis“, der sich
selbst organisiert. Man definiert zum Beispiel die Rol-
lenaufteilung selbst und schafft bei Bedarf neue Rollen.
Klassische Hierarchien gibt es nicht. Die Handlungs- und
Entscheidungsmacht wird verteilt nach dem Motto: Ent-
Hintergrund.
Der aus Philadelphia stammende US-Unternehmer
Brian Robertson hat in seiner Firma Ternary Software vor
16 Jahren eine Alternative zur klassischen Führung entwickelt.
schieden wird dort, wo auch umgesetzt wird. Alle Entschei-
dungen gelten nur für den nächsten Schritt, damit bei
Problemen kurzfristig eingegriffen werden kann. Wo in der
Organisation etwas nicht optimal läuft, treten Spannungen
auf, die als Veränderungs- und Lernchance genutzt wer-
den. Holacracy kann nur top-down eingeführt werden. Das
Topmanagement muss Macht abgeben und Verantwortung
verteilen. Und die Organisation muss bereit sein, selbstor-
ganisiert zu arbeiten.
Eva-Maria Ayberk
und Brian Robert-
son.
Kann man
führen ohne Hierar-
chie? Die Holacracy
will es beweisen.