wirtschaft und weiterbildung 1/2016 - page 53

wirtschaft + weiterbildung
01_2016
53
R
Brian Robertson (ganz
links).
Der Software-
Unternehmer teilt seine
Vision mit dem Wiener
Publikum. Seine größte
Referenz ist Zappos, ein
Online-Schuhhändler in
den USA mit 1.500 Mitar-
beitern.
lacracy setzt (statt auf Machtverteilung
über Hierarchie) auf selbstorganisierende
Arbeitskreise. Daher auch der Name
„Holacracy“, der auf einen Begriff des
österreichisch-ungarischen Schriftstellers
Arthur Koestler zurückgeht. Ein „Holon“
ist ein Ganzes, das Teil eines anderen
Ganzen ist. Für verschiedene Aufgaben
und Herausforderungen werden Rollen
geschaffen, die mit den notwendigen
Ressourcen und Befugnissen ausgestattet
werden können. Im Idealfall gibt es dann
keine Top-Down-Hierarchie mehr, alle Be-
teiligten eines Prozesses haben gleiches
Gewicht oder gleiche Macht. Organisiert
wird die Zusammenarbeit durch eine de-
tailliert festgelegte Unternehmensverfas-
sung und klar strukturierte Steuerungs-
und Arbeitstreffen.
Keine Erfolgsrezepte für
einfachen Wandel
Brian Robertson ist überzeugt, dass seine
Holacracy-Methode es möglich macht,
eine neue und moderne Organisations-
form auf viele Unternehmen zu übertra-
gen. Er vergleicht die Wirkung mit dem
Quantensprung, der sich in der IT-Bran-
che durch die Entwicklung von Benut-
zeroberflächen wie MS Windows oder
Mac OS ergeben habe. Und doch gibt es
keine Erfolgsrezepte und keine einfachen
Checklisten für den Unternehmenswan-
del. Das zeigten die „Next Organizing
Deep Dives“ am Nachmittag des Wiener
Events.
Im World-Café-Stil traten zehn Unterneh-
mensvertreter mit den Teilnehmern in
den direkten Austausch über ihre Erfah-
rungen mit agilen Unternehmensformen.
An einem Tisch diskutierte Brian Robert-
son Details und Feinheiten seines Hola-
cracy-Konzepts. Einen Tisch weiter schil-
derte Kristy A. Meade ihre Erfahrungen
beim US-Onlineshop und zeigte welche
Vorteile eine Struktur wie Holacracy für
die Diversität, Ausgewogenheit und vor
allem Transparenz eines Unternehmens
mit sich bringen kann.
Michael Möller berichtete offen darüber,
welche Erfahrungen die Beratergruppe
Neuwaldegg selbst mit der Einführung
von Holacracy gesammelt hat. Die Dis-
kussionen nahmen schnell Fahrt auf, die
Wortwechsel wurden immer schneller.
Die Grenzen der Rollen „Redner“, „Zu-
hörer“, „Experte“ und „Neuling“, „Gast-
geber“ und „Gast“ verwischten schnell.
„Die Veranstaltung hat ein sehr flexibles
Umfeld geschaffen und damit Raum für
Reaktionen, Kreativität und sehr gute Ge-
spräche gelassen“, sagt Melanie Vones,
Senior Consultant bei der Agentur Net-
centric in München. „Die Round-Table-
Gespräche waren sehr aufschlussreich,
weil wir über die tatsächlichen Anwen-
dungsfälle gesprochen haben, die sich
oft als Mischformen zeigen und damit
die reine Lehre weiterentwickeln“, meint
Britta Bibel-Cavallaro vom Schweizer In-
dustriekonzern Oerlikon. Eine der meist-
diskutierten Fragen drehte sich um die
Einführung neuer Organisationsformen:
Urknall oder lieber schleichend und in
kleinen Schritten – zum Beispiel durch
Einführung neuer Strukturen in kleinen
abgeschlossenen Einheiten? Letzteres
ist eine Idee, die Brian Robertson nicht
abwegig findet. Britta Bibel-Cavallero
nimmt vor diesem Hintergrund eines aus
Wien mit: „Ich kann mir nun auch Paral-
lelorganisationen im gleichen Unterneh-
men vorstellen und stelle diese seit der
Konferenz nicht mehr infrage.“
Aus Trainern werden
Teilnehmer
Als Grund für neue Erkenntnisse nannten
viele Teilnehmer die Tatsache, dass die
Unternehmensvertreter bereitwillig über
Erfahrungen und Erfolge, Misserfolge und
Rückschritte gesprochen hatten. Um dies
zu erreichen, war viel Arbeit im Hinter-
grund notwendig. Eva-Maria Ayberk ist
überzeugt, dass die Heterogenität der
Teilnehmer nur durch die Heterogenität
der Gastgeber erreicht werden konnte.
1...,43,44,45,46,47,48,49,50,51,52 54,55,56,57,58,59,60,61,62,63,...68
Powered by FlippingBook