wirtschaft und weiterbildung 3/2015 - page 54

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wirtschaft + weiterbildung
03_2015
„Wir rennen offene Türen ein“
Warum sollte jemand bei Ihnen gegen Geld einen
Videokurs buchen, wenn auf Youtube zum gleichen
Thema kostenlose Videos laufen, von denen man auch
viel lernen kann?
Schlichte:
Bei Berufstätigen kommt es auch darauf an,
etwas möglichst schnell zu lernen. Statt irgendwelche
Videos unterschiedlicher Qualität zum Beispiel zum Thema
„Projektmanagement“ im Netz durchzuprobieren, ist es für
die Unternehmen sinnvoller, wenn die Mitarbeiter gleich
von vornherein bei einem sehr guten Trainer die wirklich
praxisrelevanten Inhalte lernen. Das ist ja gerade der Vor-
teil professioneller Lernvideos: Man lernt vom besten Trai-
ner und vergeudet seine Zeit nicht mit Fehlversuchen.
Die Mehrzahl der Menschen sind „soziale Wesen“, die
sich beim Lernen gerne mit anderen austauschen.
Wie können Sie darauf Rücksicht nehmen?
Schlichte:
Jeder Lerner kann während der Laufzeit eines
Kurses sowohl mit dem Trainer als auch mit anderen Ler-
nern Kontakt über unsere Lernplattform aufnehmen und
Fragen stellen oder an vertiefenden Diskussionen teilneh-
men. Außerdem fahren unsere Business-Kunden in der
Regel ausgeklügelte Blended-Learning-Konzepte. Der infor-
mative Videokurs wird dann durch Präsenzveranstaltungen
mit Übungscharakter abgerundet. Das Lernen wird auch
Interview.
Die Lecturio GmbH wurde 2008 in Leipzig gegründet
d wird
heute von Martin Schlichte, Pascal Bendien und Stefan Wisbauer geleitet. Lecturio ist
eine zentrale Wissensplattform, die Lernvideos produziert und verkauft und die gerade von
internationalen Investoren mit drei Millionen Euro gefördert wurde.
dadurch erleichtert, dass es zum Video auch ergänzende
Arbeitshilfen zum Runterladen gibt. Außerdem gehören zu
den meisten Videos auch motivierende Lernfortschritts-
kontrollen und ein Abschlusstest.
Was würden Sie als Ihr Kerngeschäft bezeichnen?
Schlichte:
Unser Kerngeschäft ist die Produktion von
didaktisch perfekt aufbereiteten Videos zu Themen der
betrieblichen Weiterbildung. Dazu analysieren wir laufend,
welche Inhalte die Unternehmen zu internen Weiterbil-
dungszwecken brauchen. Wir suchen uns dann die besten
Trainer zu diesen Themen aus und produzieren mit ihnen
in unseren Studios in Leipzig die Videos.
Woher wissen Sie, wer der beste Trainer ist?
Schlichte:
Wir schauen uns an, wer gute Fachbücher zu
einem Thema geschrieben hat und wer als Keynote-Spea-
ker überzeugt. Dann werten wir auch viele Referenzen aus
und befragen unser eigenes Expertennetzwerk. Wenn es
zu einem Thema mehrere sehr gute Trainer gibt, dann kann
es auch vorkommen, dass wir mit unterschiedlichen Trai-
nern Videos zum gleichen Thema produzieren. Dann kann
der Kunde entscheiden, von wem er lernen will. Wir sehen
uns schließlich als ein Marktplatz.
Wie reagieren die Trainer, die Sie ansprechen?
Schlichte:
Die Trainer sehen unsere Videos als Zusatzge-
schäft. Sie können weiterhin ihre Präsenzseminare verkau-
fen und verdienen sich noch ein Zusatzhonorar (abhängig
vom Umsatz) mit Online-Angeboten. Die Produktionskosten
werden übrigens in voller Höhe von uns getragen.
Wie hat sich das Geschäft im letzten Jahr entwickelt?
Schlichte:
Mit Rücksicht auf unsere Verhandlungen mit
weiteren Investoren geben wir keine Umsatz- und Gewinn-
zahlen heraus. Aber wir können den Trend zum Mobile
Learning voll bestätigen. Im Jahr 2014 hat sich unser
Umsatz im Business-to-Business-Geschäft verzehnfacht.
Wir haben 20 Konzerne als Neukunden gewonnen. Unser
Gesamtumsatz hat sich im selben Zeitraum immerhin ver-
dreifacht und diese Entwicklung hält an. Wir sind extrem
zufrieden. Aber ehrlich gesagt ist das Verkaufen für uns
derzeit ziemlich einfach: Wir rennen offene Türen ein.
Interview: Martin Pichler
Martin Schlichte,
Chef der Lecturio GmbH in Leipzig, traf
sich auf der Learntec mit w+w zum Interview.
Foto: Pichler
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