wirtschaft und weiterbildung 3/2015 - page 62

fachliteratur
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wirtschaft + weiterbildung
03_2015
Welchen Beitrag kann Arbeit zum guten Leben lei-
sten? Dieser Frage geht Joachim Bauer in seinem
Buch „Arbeit: Warum sie uns glücklich oder krank
macht“ nach. Bauers umfassender Überblick zum
Thema „Arbeit“ ist nun erstmals als Taschenbuch
erschienen, was wir zum Anlass nehmen, das Buch
an dieser Stelle vorzustellen. Wie der Titel andeutet,
geht es in „Arbeit“ durchgängig um zwei Seiten der-
selben Medaille: die Chancen von Arbeit zum einen
und ihre Gefahrenpotenziale zum anderen.
Um diese zu beleuchten und zu zeigen, dass es kein
Zufall ist, was Arbeit aus Beschäftigten macht, rollt
Bauer das Thema aus drei Perspektiven auf: neuro-
biologisch, medizinisch und psychologisch. Ein län-
geres Kapitel widmet der Autor dem Thema „Burn-
out“ – ihm ist es ein besonderes Anliegen, die The-
orie von der „Burn-out“-Mode zu entkräften. Dem
schließt Bauer eine Kulturgeschichte der Arbeit an:
von der „Erfindung“ der Arbeit, die Bauer auf das
Jahr 10.000 vor Christus datiert, bis hin zu einer dro-
henden „Müdigkeitsgesellschaft“. Im Laufe dieser
Geschichte, so der Autor, habe der Mensch aus der
Arbeitspflicht die Arbeitsmoral geschaffen. Mit die-
ser Entwicklung kam die Frage auf, wie sich Arbeit
mit der Würde des Menschen verträgt – schon im
Altertum. Bauer zitiert dazu Aristoteles, der eine be-
sonders enge Definition von Würde am Arbeitsplatz
vertrat: Unwürdig, so der griechische Philosoph, sei
bereits derjenige, der sich aus Erwerbsgründen den
Befehlen anderer unterordnet – eine wenig prakti-
kable Theorie also für hierarchische Arbeitsverhält-
nisse. Mit Ansätzen, die sich besser für die Praxis
eignen, wartet Bauer im letzten Kapitel auf. Themen
darin sind unter anderem gute Führung und die be-
triebliche Gesundheitsvorsorge. Bauers Lösungsan-
sätze richten sich sowohl an Arbeitgeber als auch
Arbeitnehmer, wobei er stark als Anwalt der Arbeit-
nehmer auftritt. In dieser Funktion kommt seine
Rhetorik streckenweise etwas polemisch daher, etwa,
wenn er von „Multitasking als ADHS-Trainingslager“
spricht. Das wäre nicht nötig gewesen, schließlich
sprechen die statistischen Zahlen, mit denen Bauer
die Probleme der Arbeitswelt ausführlich belegt, für
sich. Als Lösungsvorschläge empfiehlt er sowohl per-
sönliche Maßnahmen (wie „theory of mind“-Schu-
lungen für alle) als auch politische Regulierungen
gegen „unmenschliche Arbeitsverhältnisse“. Dem
verinnerlichten Arbeitseifer, resümiert Bauer ab-
schließend, sei jedoch politisch nicht beizukommen
– zu wohl fühlten sich viele im „Pflichtrausch“.
Glücksquell mit Risikopotenzial
Arbeitsforschung
Joachim Bauer
Arbeit: Warum sie uns glücklich oder krank
macht, Heyne,
München 2015, 272 Seiten, 9,99 Euro
Joachim Bauer
lehrt an der Universität Frei-
burg. Der Neurobiologe, Medi-
ziner und Psychotherapeut hat
bereits mehrere Sachbücher zu
Aspekten menschlicher Interaktion verfasst („Das koo-
perative Gen“, „Warum ich fühle, was Du fühlst“) und
leitet ein Forschungsprojekt zum Thema „Muße“.
AUTOR
Foto: privat
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