wirtschaft und weiterbildung 3/2015 - page 64

grundls grundgesetz
Boris Grundl
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wirtschaft + weiterbildung
03_2015
Fordernd steht Müller vor seinem Chef: „Es wäre
mal wieder Zeit, mein Gehalt aufzustocken!“ Der
Chef schaut prüfend: „Wie sieht es denn mit Ihren
Ergebnissen aus? Wenn ich es richtig sehe, sind
die nicht besser als im Vorjahr.“ Interessant, was
hier passiert: Müller verlangt mehr Geld für gleiche
Leistung – und dabei geht es ihm nicht nur um eine
Summe, sondern auch um Gerechtigkeit. „Da ich
besser bin als Meier, muss ich auch mehr verdie-
nen als er.“ So denkt er und tappt dabei in die Falle
der Überlegenheitsillusion.
Dass Menschen sich vergleichen, ist natürlich.
Aber die Fehler anderer sehen wir schärfer als
ein Adler, bei uns selbst werden wir zum blinden
Maulwurf. So entsteht eine gefühlte Überlegenheit:
die Überlegenheitsillusion. Und so hat Müller das
Gefühl, besser, schneller, klüger, schöner, gesünder
oder reicher zu sein als alle Meiers dieser Welt.
Der bequemere Müller-Weg mündet darin, andere
abzuwerten, um sich dadurch größer zu fühlen. Der
anstrengendere, nachhaltigere Weg wäre es, bei
sich zu bleiben, sich zu entwickeln und bessere
Ergebnisse zu produzieren – um damit zu verdie-
nen, was man verdienen will. Und so fragt Müller
nicht danach, was er tun kann, um seinen Wert
fürs Unternehmen zu erhöhen. Aus seiner Sicht
braucht er das nicht. Weil er sich ohnehin den Mei-
ers dieser Welt überlegen fühlt. Wer seine Über-
legenheitsillusion auflösen will, muss sich selbst
auf die Schliche kommen und zwischen klugen und
dummen Vergleichen unterscheiden – und damit
zwischen Inspiration und Stagnation. Das dumme
Vergleichen sieht und überbetönt die Defizite des
anderen. Warum besser werden, wenn ich doch
schon über den anderen stehe? Das Ergebnis
ist Lähmung und Stagnation. Der kluge Vergleich
scannt das Gegenüber nach dem, was an ihm stark
ist und was wir von ihm lernen können. Eine Art
„Rosinenpicken“. Das inspiriert und weckt Entwick-
lungslust.
Eine bekannte Szene: Wenn selbster-
nannte Schlaumeier am Stammtisch
über die Mächtigen der Welt herziehen,
schenkt ihnen das ein Gefühl von Größe,
von Überlegenheit. Das gemeinsame Run-
terputzen reduziert den Abstand zwischen
dem gefühlten eigenen Minderwert und der Strahl-
kraft der anderen. Weil das nur kurz wirkt, muss
das Ritual wöchentlich wiederholt werden. Hier ist
ein einfacher, leicht zu durchschauender Minder-
wertigkeitskomplex am Werk. Doch je intelligenter
Menschen sind, desto cleverer maskieren sie ihre
Überlegenheitsillusion. Intelligenz verpackt Neid in
moralische Vorwürfe. Leistungen anderer werden
aufs Aussehen, Beziehungen, ererbtes Geld oder
Skrupellosigkeit reduziert. „Wer die Menschen
kennen lernen will, der studiere ihre Entschuldi-
gungsgründe“, erkannte schon der Lyriker Christian
Friedrich Hebbel.
Wer also vom Leben mehr verlangt als bisher,
sollte nicht einfach seine Forderungen erhöhen,
sondern an seiner Wirkung arbeiten. Am klügsten
wäre, sich nicht zu vergleichen. Ganz bei sich zu
bleiben. Leicht gesagt, sehr schwer umgesetzt.
Aber wenn vergleichen, dann bitte klug. Sorgen Sie
dafür, dass Ihr Vergleich zu Inspiration und Respekt
führt statt zu Stagnation und verstecktem Neid.
Führen Sie zuerst sich selbst zu dieser Erkenntnis
und dann den Kollegen Müller. Nicht umgekehrt!
Paragraf 33
Vermeide jede Illusion
von Überlegenheit
Boris Grundl ist Managementtrainer und Inhaber der Grundl Leadership Akademie, die Unternehmen befähigt, ihrer Führungsverantwortung gerecht zu werden.
Grundl gilt bei Managern und Medien als „der Menschenentwickler“ (Süddeutsche Zeitung). Sein neues Buch heißt: „Mach mich glücklich. Wie Sie das bekommen,
was jeder haben will“ (Econ Verlag 2014, 246 Seiten, 18 Euro). Boris Grundl beweist, wie leicht und schnell das Verschieben von Verantwortung in eine
zerstörerische Sackgasse führt und die persönliche Weiterentwicklung und damit Glück verhindert.
Zwischen klugen und dummen
Vergleichen zu unterscheiden heißt,
Inspiration statt der Stagnation
zu wählen.
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