personalmagazin 03/2016 - page 17

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03/16 personalmagazin
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
Das Interview führte
Reiner Straub.
gen ein, so steigt die Arbeitszufrieden-
heit. Wahrscheinlich es es hier wieder
so: Leistungsbeurteilungen zwingen
Führungskräfte dazu, sich detailliert
mit ihren Mitarbeitern zu beschäftigen.
personalmagazin:
Das für mich überra-
schendste Ergebnis ist, dass Verteilungs-
vorgaben bei der Leistungsbeurteilung zu
höherer Arbeitszufriedenheit führen.
Sliwka:
Das hat mich auch überrascht,
weil man gemeinhin denkt, dass Vertei-
lungsvorgaben von Mitarbeitern negativ
bewertet werden. Meine Interpretation
dieses Befundes ist, dass Verteilungsvor-
gaben die Leute nicht glücklicher, aber
die Konsequenzen von Leistungsbeur-
teilungen fairer machen. Die Mitarbei-
ter empfinden das als ein Zeichen, dass
die Betriebe solche schwierigen Prozes-
se professionell managen. Ansonsten
ist jeder Führungskraft überlassen, die
Leistungsbeurteilung nach eigenen Über-
legungen zu handhaben. Die eine Füh-
rungskraft differenziert stark, die andere
gar nicht. Es gibt damit im selben Betrieb
ganz unterschiedliche Beurteilungsmaß-
stäbe und das erzeugt Unzufriedenheit.
personalmagazin:
Nach Ihren Untersuchun-
gen nehmen bei größeren Betrieben die
Verteilungsvorgaben zu. Ist das ein Trend?
Sliwka:
Das ist vermutlich eine zyklische
Bewegung. Wenn Sie Vorgaben abschaf-
fen, führt das zu einer Zunahme der
großzügigen Beurteilungen, weil das für
die Führungskräfte leichter ist. Die Fol-
ge sind höhere Kosten für Bonuszahlun-
gen und ein Verlust der Aussagekraft
von Beurteilungen. Die Betriebe merken
das und fangen wieder an, Verteilungs-
empfehlungen einzuführen.
personalmagazin:
Machen Verteilungsvor-
gaben aus Ihrer Sicht Sinn?
Sliwka:
Wenn man die Leistung von Mit-
arbeitern nur subjektiv messen kann,
dann ja. Denn man muss am Ende den
Beurteilten eine Idee an die Hand geben,
was es bedeutet, eine Eins zu bekom-
men, beispielsweise zu den 20 Prozent
Besten zu gehören - denn sonst hat man
wieder unterschiedliche Maßstäbe im
selben Unternehmen. Verteilungsvorga-
ben wird es auch in 20 Jahren noch ge-
ben. Wenn sie Leistung objektiver mes-
sen können, brauchen sie diese nicht.
Erzwungene Differenzierungen sind
machmal ein schmerzhafter Prozess.
personalmagazin:
Eine Führungskraft hat
eine Spanne zwischen sieben und 14 Mit-
arbeitern. Haben Sie als Statistiker eine
Empfehlung, ab welcher Gruppengröße
eine Verteilungsvorgabe sinnvoll ist?
Sliwka:
Bei sieben Mitarbeitern macht
eine Verteilungsvorgabe keinen Sinn,
die Gruppengröße sollte schon bei eher
50 Mitarbeitern liegen. Bei dieser Grup-
pengröße ist es eher unwahrscheinlich,
dass ich jemandem Unrecht tun muss,
wenn ich die Vorgabe manage. Für
strenge Verteilungsvorgaben brauchen
Sie daher in der Regel Beurteilungskon-
ferenzen, in denen sich mehrere Füh-
rungskräfte miteinander abstimmen.
personalmagazin:
Zielvereinbarungen füh-
ren zu einem höheren Commitment. Ist
das ein kausaler Zusammenhang?
Sliwka:
In unseren LPP-Daten haben wir
eine klare Korrelation. Doch andere For-
schung zeigt, dass die Einführung von
Zielvereinbarungen ein kausaler Trei-
ber für den wirtschaftlichen Erfolg ist.
personalmagazin:
Kritiker nennen Zielver-
einbarungen ein Relikt aus alten Zeiten,
die Anforderungen an Agilität nicht
standhalten. Was antworten Sie?
Sliwka:
Manchmal sind Zielvereinbarun-
gen sehr formelhaft gestaltet und ver-
knüpfen eine Zielerreichung direkt mit
einer Bonuszahlung. Ein solches Vor-
gehen mag im Vertrieb funktionieren,
kann aber in anderen Bereichen prob-
lematisch sein, denn man verliert Fle-
xibilität. Ich interpretiere die Befunde
wie schon oben: Das Instrument zwingt
Führungskräfte dazu, ihre Erwartungen
klar zu spezifizieren und mit ihren Mit-
arbeitern einen Dialog zu führen.
personalmagazin:
Kündigungsgrund
Nummer eins ist das Verhalten der
Vorgesetzten, das haben Ihre Untersu-
chungen bestätigt. Wie können Betriebe
hier vorbeugen?
Sliwka:
HR hat das Instrument der Mit-
arbeiterbefragung, um herauszufinden,
in welchen Bereichen es Führungs-
probleme gibt. Wichtig dabei ist, dass
diese systematisch und kontinuierlich
durchgeführt werden. Wenn Mitarbei-
terbefragungen in schwierigen Jahren
ausgesetzt werden, weil man schlechte
Ergebnisse erwartet, schafft das kein
Vertrauen in das Instrument.
personalmagazin:
Häufig werden ja die
Ergebnisse von Mitarbeiterbefragungen
angezweifelt und gesagt, die Beschäftig-
ten geben sowieso nur das an, was sozial
erwünscht ist.
Sliwka:
Die Befragungsergebnisse sind
gute Prädiktatoren für tatsächliches
Verhalten – das zeigen die LPP-Daten.
Mitarbeiter, die 2012 in der Beschäftig-
tenbefragung ein hohes Commitment
hatten, haben den Betrieb bis 2014 sel-
tener verlassen als solche mit niedrigem
Commitment. Obwohl es Effekte wie
soziale Erwünschtheit gibt, liefern Mit-
arbeiterbefragungen also wichtige Früh-
indikatoren für Verhalten, die allerdings
in vielen Unternehmen bisher noch zu
wenig genutzt werden.
„Verteilungsvorgaben
bei der Leistungsbeur-
teilung machen Sinn,
wenn man die Leistung
nur subjektiv messen
kann. Das kann manch-
mal schmerzhaft sein.“
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