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spezial Kanzleien im Arbeitsrecht 2015
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Im Fall einer fristlosen Kündigung kann
also ein noch bestehender Urlaubsan-
spruch des Arbeitnehmers nicht mehr
mit der genannten Freistellungserklä-
rung erfüllt werden. Vielmehr ist der
Urlaubsanspruch finanziell abzugelten,
wenn er wegen Beendigung des Arbeits-
verhältnisses nicht mehr genommen
werden kann. Denn der Urlaubsan-
spruch besteht aus zweierlei: Dem Frei-
stellungsanspruch und dem Anspruch
auf Zahlung der vereinbarten Vergü-
tung. So regelt es auch § 1 BUrlG und
schreibt damit einen „einheitlich-zwei­
gliedrigen Urlaubsbegriff“ fest.
Urteil vom 10. Februar 2015, 9 AZR 455/13
Urlaub: Wechsel in Teilzeit
führt nicht zur Kürzung
Der EuGH ist auch das entscheidende
Stichwort für eine weitere Entscheidung
zum Urlaubsrecht - auch in diesem Fall
lieferte das europäische Gericht die
entsprechende Vorlage. Denn bereits
2013 hatte der EuGH entschieden, dass
der Arbeitgeber den Urlaubsanspruch
nicht anteilig kürzen darf, wenn Mit-
arbeiter von Voll- in Teilzeit wechseln
und dadurch an weniger Wochentagen
arbeiten. Nun hat das oberste deutsche
Arbeitsgericht seine Rechtsprechung
entsprechend angepasst und sieht seit-
dem ebenso wie der EuGH in der Kür-
zung des Urlaubsanspruchs beim Wech-
sel in Teilzeit eine Diskriminierung.
Im zu entscheidenden Fall hatte ein
Beschäftigter des öffentlichen Dienstes
geklagt, der seine Arbeitszeit auf weni-
ger als fünf Wochenarbeitstage verrin-
gert hatte. Der Dienstherr berechnete
einen verminderten Urlaubsanspruch
und sah sich durch § 26 Abs. 1 TVöD
bestätigt – doch das BAG zog mit der
Rechtsauffassung des EuGH gleich und
erklärte, an seiner bisherigen Rechtspre-
chung, nach der die Urlaubstage in die-
sen Fällen umzurechnen wären, nicht
mehr festzuhalten.
Urteil vom 10. Februar 2015, 9 AZR 53/14
Auch im Sonderurlaub
entsteht Erholungsurlaub
Das BAG hat klargestellt, dass die Kür-
zung des gesetzlichen Mindesturlaubs
im Falle eines ruhenden Arbeitsverhält-
nisses nur erlaubt ist, wenn es dafür
eine spezialgesetzliche Regelung gibt.
Hauptanwendungsfall einer solchen
Kürzungsmöglichkeit ist die Auszeit
wegen Inanspruchnahme der Eltern-
zeit. Das Bundeselternzeitgesetz erlaubt
Arbeitgebern in diesem Fall ausdrück-
lich, den Erholungsurlaub zu kürzen.
Grundsätzlich entsteht der gesetzliche
Urlaubsanspruch jedoch unabhängig
davon, ob während des Kalenderjahrs
eine Arbeitsleistung erbracht wurde.
Für die Inanspruchnahme eines Son-
derurlaubs, der zur Pflege eines Ange-
hörigen in Anspruch genommen wird
– und über einen solchen Fall hatte das
BAG zu entscheiden –, hat der Gesetzge-
ber eine Kürzung nicht vorgesehen. Da-
her sammeln sich auch während dieser
Zeiten Urlaubsansprüche zumindest in
Auch acht Jahre nach seinem Inkrafttreten bleiben generelle Fragen zum Allgemeinen
Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ein Dauerbrenner vor dem BAG.
Begonnen hatte das AGG-Jahr 2014 mit der Lösung eines Rechtsproblems, welches der
Personalvermittlungsbranche seit Inkrafttreten des AGG Kopfschmerzen bereitet hatte.
Es ging um die Frage, ob Schadensersatzansprüche wegen einer diskriminierenden
Stellenausschreibung von einem Bewerber nicht nur gegen den Arbeitgeber, sondern
auch gegen einen Personalvermittler gerichtet werden können. Das BAG entschied hier:
„Ein Entschädigungsanspruch auf immateriellen Schaden nach § 15 Abs. 2 AGG kann nur
gegen den Arbeitgeber im engeren Sinne geltend gemacht werden. Ansprüche gegen
Dritte sind generell ausgeschlossen.“
Urteil vom 23. Januar 2014, 8 AZR 118/13
Klage ohne schriftliche Fristwahrung
Dass es im Rahmen von Auseinandersetzungen nach dem AGG häufig auch darum geht, ob
derartige Ansprüche noch fristgemäß geltend gemacht worden sind, zeigt eine Entschei-
dung aus dem Mai 2014. Hier hatte ein Arbeitnehmer seinen Schadensersatzanspruch
nicht – wie vom Gesetz grundsätzlich vorgesehen – zunächst schriftlich innerhalb von
zwei Monaten geltend gemacht. Vielmehr reichte er direkt Klage beim Arbeitsgericht ein.
Dieses wiederum stellte die Klage zwar zu, allerdings erst nach Ablauf der AGG-Frist von
zwei Monaten. Eigentlich ein Fall von Verfristung, sollte man meinen. Wenn es nicht die
Zivilprozessordnung (ZPO) gäbe. Dort ist in § 167 geregelt, dass der rechtzeitige Eingang
einer Klage bei Gericht fristwahrend wirkt, wenn die Klage „demnächst“ zugestellt wird.
Das BAG entschied sich dafür, dass auch bei Streitfällen über die Geltendmachung von
Schadensersatzansprüchen nach dem AGG diese eigentlich nur für Klagevorgänge vorgese-
hene prozessuale Sondervorschrift anzuwenden ist.
Urteil vom 22. Mai 2014, 8 AZR 662/13
Kopftuchfälle mit Kirchenbezug
Nicht zuletzt musste sich das BAG noch mit einem AGG-Dauerbrenner auseinander-
setzen. Es ging erneut um die Rechtmäßigkeit eines Verbots, ein islamisches Kopftuch
während der Arbeitszeit zu tragen. Zumindest im Rahmen der Tätigkeit in Krankenhäu-
sern mit kirchlicher Trägerschaft ist dieses Thema jetzt arbeitsrechtlich geklärt: Trägt die
in einer Einrichtung der Evangelischen Kirche tätige Arbeitnehmerin ein Kopftuch, so sei
dies als Symbol der Zugehörigkeit zum islamischen Glauben – und damit als Kundgabe
einer gegenüber der Evangelischen Kirche anderen Religionszugehörigkeit – regelmäßig
nicht mit der arbeitsvertraglichen Verpflichtung zu einem zumindest neutralen Verhalten
in Einklang zu bringen, entschied das BAG.
Urteil vom 24. September 2014, 5 AZR 611/12
Dauerbrenner Diskriminierung
GLEICHBEHANDLUNGSGESETZ
1...,9,10,11,12,13,14,15,16,17,18 20,21,22,23,24,25,26,27,28,29,...60
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