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spezial Kanzleien im Arbeitsrecht 2015
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
SPEZIAL KANZLEIEN
_TRENDS
nächst weg vom Image der bloßen wirt-
schaftsberatenden Kanzlei. Davon gibt
es zu viele – daher der brutale Preis-
kampf. Sodann zwei Haupttrends: ent-
weder Spezialisierung oder starke Glo-
balisierung. ImMittelfeld darf man nicht
bleiben, weil man dort untergeht. Bei
Arbeitsrechtskanzleien lässt sich das
nicht so genau sagen, aber mindestens:
Schaffung eines starken internationalen
Netzwerks und Arbeit am nationalen
Brand, um den Wettbewerberstatus zu
den Großkanzleien und den anderen
Boutiquen auszubauen. Boutiquen ha-
ben zudem später mal den Konflikt, wie
sie mit Wachstum umgehen: Boutique
bleiben? Angebot vorsichtig erweitern?
Was ist die Message an den Nachwuchs?
personalmagazin:
Welche Orientierungshil-
fen bei der Mandatsvergabe halten Sie
für die bedeutsamsten und hilfreichsten?
Hartung:
Unternehmen müssen zunächst
genau definieren, was sie eigentlich
brauchen, daran fehlt es häufig. Wissen
Mandanten, was sie wollen, dann steht an
oberster Stelle die Empfehlung. Danach
kommt das strukturierte Gespräch mit
Anbietern, der sogenannte Pitch. Es gibt
auch Berater, die wie Lotsen fungieren.
personalmagazin:
Was bedeutet die Interna-
tionalisierung des Kanzleimarkts?
Hartung:
Vor allem, dass Unternehmen
heute jede Form von Rechtsberatung fin-
den, die sie brauchen. Für Kanzleien heißt
das, dass sie nun viel mehr über Mandan-
tenbedürfnisse wissen müssen.
„Die Lösung ist Differenzierung“
INTERVIEW.
Der Kanzleimarkt ist im Umbruch. Branchenkenner Markus Hartung
erklärt, welche Trends die Rechtsberatung beeinflussen – auch beim Arbeitsrecht.
personalmagazin:
Warum sprießen die
Arbeitsrechtsboutiquen wie Pilze aus
dem Boden?
Markus Hartung:
Seit einigen Jahren sehen
wir die zunehmende Spezialisierung
der Anwaltschaft – in allen Marktseg-
menten. Wirtschaftskanzleien sind da-
von nicht unberührt geblieben. Arbeits-
rechtsboutiquen, meist Spin-offs von
Wirtschaftskanzleien, sind das promi-
nenteste Beispiel dafür. Andere sind IP-,
Real-Estate- oder Litigation-Boutiquen.
Sie alle eint, dass sie großkanzleitrai-
niertes Know-how und Service für Man-
danten bieten, mit einem internationa-
len Netzwerk und fast immer zu deutlich
günstigeren Preisen. Nach unserer Ein-
schätzung wird sich das fortsetzen.
personalmagazin:
Mandanten agieren
zunehmend preisbewusst. Wie können
Kanzleien die steigenden Ansprüche
ihrer Mandanten mit dem gleichzeitigen
Kostendruck vereinbaren?
Hartung:
Das muss man differenziert be-
trachten, denn „den Kostendruck“ gibt
es nicht. Die „More-for-less-Challenge“
hat der Sache nach Grenzen. Allerdings
sollten Kanzleien sich hier nicht zu früh
freuen, denn das Optimierungspotential
innerhalb von Kanzleien ist noch lange
nicht ausgeschöpft – auch wenn es sich
für Kanzleien oft anders anfühlt. Grund-
sätzlich gilt jedoch, dass Kanzleien sehr
genau definieren und kommunizieren
müssen, was sie wirklich gut können
und worin ihr Mehrwert für Mandanten
besteht. Die Lösung besteht dann in Dif-
ferenzierung oder Unterscheidbarkeit –
nicht einfach, aber machbar.
personalmagazin:
Welche Effekte auf den
Anwaltsmarkt hat das BSG-Urteil, wo-
nach Anwälte in Unternehmen rentenver-
sicherungspflichtig sind?
Hartung:
Keine. Das Justizministerium
arbeitet an einer gesetzlichen Regelung,
um die für Syndikusanwälte dramati-
schen Folgen der BSG-Entscheidungen
in den Griff zu kriegen. Aber auch ohne
solche Regelung sehe ich keine nennens-
werten Effekte auf den Rechtsmarkt.
personalmagazin:
Welche Hauptstrategien
lassen sich bei Wirtschaftskanzleien und
Arbeitsrechtskanzleien derzeit erkennen?
Hartung:
Bei Wirtschaftskanzleien: zu-
Das Interview führte
Holger Schindler.
MARKUS HARTUNG,
Rechtsanwalt,
Direktor des Bucerius Center on the Legal
Profession an der Bucerius Law School und
Vorsitzender des Berufsrechtsausschusses
des Deutschen Anwaltvereins
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