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SPEZIAL KANZLEIEN
_MARKTBETRACHTUNG
spezial Kanzleien im Arbeitsrecht 2015
G
erade in den vergangenen
zwei Jahren haben sich sehr
viele Arbeitsrechtsboutiquen
gegründet und sehr schnell
im deutschen Rechtsberatungsmarkt
etabliert. Oft treten ehemalige Partner
und Rechtsanwälte international tätiger
Großkanzleien als Initiatoren solcher
Kanzleineugründungen auf. Ist der Be-
darf an arbeitsrechtlicher Beratung so
stark gestiegen, dass immer mehr Anbie-
ter in Form einer Spezialkanzlei auf den
Markt drängen müssen? Oder ist etwa
die arbeitsrechtliche Beratungsleistung
durch eine Spezialkanzlei besser? Und
was bedeutet das wachsende Angebot
für den Arbeitsrechtler im Unterneh-
men, der den besten Dienstleister für die
externe Beratung finden muss?
Arbeitsrechtsboutiquen sind teils
größer, als der Name nahelegt
Am Rechtsberatungsmarkt bezeichnet
man als Boutique eine relativ kleine,
aber hoch spezialisierte Kanzlei, die oft
aus nur drei bis fünf Anwälten besteht
und sich auf die Abdeckung einiger oder
auch nur eines einzigen Rechtsgebietes
beschränkt. Gerade im Arbeitsrecht
trifft diese Definition schon längst nicht
mehr den Kern der Sache.
Inzwischen gibt es Arbeitsrechts-
boutiquen mit mehreren Dutzend An-
wälten, die von mehreren Standorten
aus ausschließlich auf dem Gebiet des
Arbeitsrechts tätig sind. Zunehmend ist
die Einbindung in weltweit agierende
und oftmals ebenso fachlich fokussierte
Von
Silvio Fricke
Kanzleinetzwerke inklusive. Somit passt
die Begrifflichkeit der arbeitsrechtlichen
Spezialkanzlei sicherlich auf den Bereich
der arbeitsrechtlichen Boutiquen inzwi-
schen besser. Dies auch deshalb, weil der
ein oder andere Mehrwert, der mit der
Gründung einer arbeitsrechtlichen Spe-
zialkanzlei angeboten wird, gerade nicht
eine Assoziation zum Begriff Boutique
auslösen soll – wenn man etwa an die
eher edlen, hochpreisigen Läden in vor-
züglicher Lage im Einzelhandel denkt.
Die Beweggründe der
Boutiquengründer
Jede Neugründung in den vergange-
nen Jahren beruht zunächst einmal si-
cherlich auf persönlichen Gründen der
Initiatoren. Gleichwohl müssen alle
Neugründungen zumindest in die anhal-
tende, möglicherweise steigende Nach-
frage nach arbeitsrechtlicher Beratung
hohes Vertrauen gesetzt haben – über-
wiegend zu Recht, wie die Entwicklung
der Marktstellung der einen oder an-
deren Spezialkanzlei inzwischen zeigt.
Fragt man die Anwälte und Partner von
Spezialkanzleien nach ihren weiteren
Beweggründen, werden oft in loser Rei-
henfolge folgende Punkte genannt:
Suche nach unternehmerischer Frei-
heit und Übernahme von mehr unter-
nehmerischer Verantwortung
Herbeiführung von flexibleren Ent-
scheidungsprozessen durch Schaffung
kleiner, wendiger Einheiten
Konzentration auf die arbeitsrechtli-
che Beratung ohne administrative oder
bürokratische Zusatzbelastungen
Entscheidungsfreiheit und -hoheit hin-
sichtlich kanzleikritischer Themen wie
Vergütungsstruktur, Personal, Kanzlei-
vermarktung, Mandatsannahme und
-führung
Verbesserung der Wahrnehmung ein-
zelner Anwälte oder Teams und de-
ren fachlicher Kompetenzen auf dem
Markt
Dies sind alles valide und nachvollzieh-
bare Gründe aus Sicht der Initiatoren und
Gründer von Spezialkanzleien. Hieraus
sind allerdings noch keine Mehrwerte für
den potenziellen Mandanten erkennbar.
Diese Gründe müssen hierfür zunächst in
marktbekannte Werbebotschaften über-
setzt werden. Es sollte allerdings ver-
mieden werden, obwohl gerne die hoch-
preisige Großkanzlei als einziger und
direkter Wettbewerber betrachtet wird,
sich ausschließlich auf das Argument
des „Billiganbieters“ zu kaprizieren.
Damit wird nämlich sicherlich nicht die
gleichzeitig formulierte Anspruchshal-
tung bekräftigt, gerade bei der Beratung
von nationalen und international tätigen
Großunternehmen eine genauso wichtige
Die Größe ist nicht alles
ÜBERBLICK.
Arbeitsrechtsboutiquen zu gründen, ist en vogue. Wie viele Anwälte
eine Kanzlei zählt, sollte aber nicht maßgeblich bei der Mandatsvergabe sein.
Inzwischen gibt es
Arbeitsrechtsboutiquen
mit mehreren Dutzend
Anwälten, die von meh-
reren Standorten aus
tätig sind – teils mit
weltweiter Vernetzung.
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