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SPEZIAL KANZLEIEN
_RECHTSPRECHUNG
spezial Kanzleien im Arbeitsrecht 2015
Höhe des gesetzlichen Mindesturlaubs
an. Eine analoge Heranziehung des Bun-
deselternzeitgesetzes auf vergleichbare
Auszeiten hatte das BAG abgelehnt und
zudem klargestellt, dass es nicht darauf
ankommt, ob das Arbeitsverhältnis nach
dem Ende des Sonderurlaubs wieder ak-
tiv aufgenommen wird.
Im der Entscheidung zugrunde lie-
genden Fall endete das Arbeitsverhält-
nis mit dem Ablauf des Sonderurlaubs.
Nach den allgemeinen Grundsätzen des
Urlaubsrechts hatte sich daher der An-
spruch auf Naturalgewährung in den
Urlaubsabgeltungsanspruch wegen Be-
endigung des Arbeitsverhältnisses um-
gewandelt.
Urteil vom 6. Mai 2014, 9 AZR 678/12
Urlaub: Ältere können mehr
Freizeit bekommen
Bereits im Jahr 2012 hatte das BAG die
altersabhängige Urlaubsstaffelung im
Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst
von Bund und Kommunen gekippt. Das
hatte auch Auswirkungen auf die Pri-
vatwirtschaft, schließlich passten dar-
aufhin auch einige Tarifvertragspartei-
en entsprechende kollektive Regeln an,
die eine altersabhängige Staffelung des
Urlaubs enthielten. Im Oktober 2014 re-
lativierte das BAG seine damalige Recht-
sprechung und entschied: Zwei Tage
mehr Jahresurlaub für Mitarbeiter über
58 Jahren sind nicht diskriminierend.
Die Bundesarbeitsrichter hatten nichts
dagegen einzuwenden, dass jüngere
und ältere Arbeitnehmer unterschied-
lich behandelt werden. Dem Arbeitge-
ber stehe ein Gestaltungsspielraum zum
Schutz älterer Beschäftigter zu.
Urteil vom 21. Oktober 2014, 9 AZR 956/12
Doppelter Urlaub: Mitarbeiter
muss Nachweis führen
Wechselt ein Arbeitnehmer während
des Kalenderjahrs den Arbeitgeber, so
kann er laut Bundesurlaubsgesetz nicht
doppelt Urlaub beanspruchen. Das BAG
legte jedoch fest, dass der Mitarbeiter
den Nachweis führen muss, wenn sein
früherer Arbeitgeber den Urlaubsan-
spruch noch nicht erfüllt hat.
Gegenüber demkünftigen Arbeitgeber
muss also der Arbeitnehmer bei Zwei-
felsfragen belegen, dass der frühere Ar-
beitgeber den Urlaubsanspruch für das
Kalenderjahr nicht (vollständig) erfüllt
oder abgegolten hat. Die Möglichkeit da-
zu gibt ihm das Gesetz: Denn endet ein
Arbeitsverhältnis, muss der Arbeitgeber
dem Mitarbeiter nach § 6 Abs. 2 Bun-
desurlaubsgesetz den im laufenden Ka-
lenderjahr gewährten oder abgegoltenen
Urlaub bescheinigen.
Urteil vom 16. Dezember 2014, 9 AZR 295/13
Kündigung: Gestaffelte Fristen
sind rechtmäßig
Dass nicht alles, was in § 622 Abs. 2
BGB geschrieben steht, ganz wörtlich
zu nehmen ist, dürfte seit 2010 klar
sein. Bekanntlich hat damals der Euro-
päische Gerichtshof dafür gesorgt, dass
die dort vorgesehene Staffelung der
Kündigungsfristen nach der Dauer der
Betriebszugehörigkeit nicht mehr anzu-
wenden ist. Der Gesetzgeber hat diese
EuGH-Entscheidung bislang standhaft
ignoriert und den Satz nicht aus dem
Gesetz gestrichen. Umso schöner, dass
nun nach einer neuen Entscheidung des
Bundesarbeitsgerichts alles so bleibt,
wie es im Gesetz steht.
In dem neuen Urteil vom Februar 2015
sprachen sich die Richter dafür aus, dass
sich die Mindestkündigungsfrist, wie im
Gesetz vorgesehen, weiterhin stufen-
weise verlängert – mit zunehmender
Betriebszugehörigkeit bis auf maximal
sieben Monate. Diese Staffelung sei zu-
lässig, entschied das BAG. Zwar räumte
es ein, dass die Vorschrift Jüngere mit-
telbar benachteilige. Die Verlängerung
der Kündigungsfrist durch § 622 Abs. 2
Satz 1 BGB bei längerer Betriebszugehö-
rigkeit verfolge jedoch das rechtmäßige
Ziel, betriebstreuen Arbeitnehmern ei-
nen verbesserten Kündigungsschutz zu
gewähren. Letztlich sei die Vorschrift
auch Ausdruck des Gedankens, dass Äl-
tere regelmäßig größere Schwierigkeiten
haben, einen gleichwertigen, neuen Job
zu finden, argumentierten die Richter.
Urteil vom 18. September 2014, 6 AZR 636/13
Kündigung: Auszubildender nach
Diebstahlsverdacht entlassen
Obwohl einem Auszubildenden der Griff
in die Kasse nicht nachgewiesen wurde,
erklärte das BAG die fristlose Kündigung
eines Banklehrlings für rechtmäßig. Mit
der Entscheidung zogen die obersten
Arbeitsrichter erstmals Grenzen bei der
Verdachtskündigung eines Auszubil-
denden. Für die Kündigung von Auszu-
bildenden gelten hohe Anforderungen:
Sie kann im Anschluss an die Probezeit
nur fristlos und aus wichtigem Grund
erfolgen. Ein solcher „wichtiger Grund“
nach § 22 Abs. 2 Nr. 1 Berufsbildungs-
gesetz (BBiG) liegt vor, so das BAG in
den Entscheidungsgründen, wenn es
sich um den dringenden Verdacht ei-
ner schwerwiegenden Pflichtverletzung
handelt und wenn der Verdacht auch
bei Berücksichtigung der Besonderhei-
ten des Ausbildungsverhältnisses dem
Ausbildenden die Fortsetzung der Aus-
bildung objektiv unzumutbar macht. Im
vorliegenden Fall sah das BAG diese Vo-
raussetzungen als gegeben an.
Urteil vom 12. Februar 2015, 6 AZR 845/13
Einstellung: Keine Anfechtung
wegen gelöschter Vorstrafen
Verurteilungen, die im Bundeszentral-
register bereits getilgt sind, muss ein
Stellenbewerber auf die pauschale Fra-
ge nach dem Vorliegen von Vorstrafen
auch dann nicht angeben, wenn er sich
um eine Stelle im Justizvollzugsdienst
bewirbt. Auch bei dieser Entschei-
dung prüfte das Bundesarbeitsgericht
einen Klassiker: Die Anfechtung des
Arbeitsvertrags aufgrund arglistiger
Täuschung. Im zu entscheidenden Fall
hatte ein Angestellter im Justizvollzugs-
dienst mehrfach im Einstellungsverfah-
ren erklärt, dass er „nicht gerichtlich
bestraft“ und gegen ihn „ein gericht-
liches Strafverfahren oder ein Ermitt-
lungsverfahren der Staatsanwaltschaft
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