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PERSONALquarterly 04/16
SCHWERPUNKT
_VERANTWORTUNG
E
in Blick auf das Geschäftsmodell der Auticon GmbH
führt zu dem Eindruck, man betrachte zwei verschie-
dene Organisationen: ein Wirtschaftsunternehmen
und eine gemeinnützige Einrichtung. Das Berliner
Unternehmen führt Softwaretests für namhafte Kunden durch
und beschäftigt hierzu circa 100 Mitarbeiter (Stand: 2016). Die
Besonderheit liegt darin, dass Auticon dabei im Software-Tes
ting vornehmlich Asperger-Autisten beschäftigt, die aufgrund
ihrer Entwicklungsstörung oft große Schwierigkeiten auf dem
Arbeitsmarkt haben; dennoch verfügen sie häufig über über-
durchschnittliche Fähigkeiten in Bezug auf Aufmerksamkeit
und Gedächtnisleistung. Durch die Beschäftigung bei Auticon
haben sie die Chance, aktiv am Berufsleben teilzunehmen.
Ähnlich interessant gestaltet sich das Betätigungsfeld der
„Deutschland rundet auf Gemeinnützige Stiftungs-GmbH“.
Durch deren landesweite Spendenaktion erhalten Kunden die
Möglichkeit, bei teilnehmenden Handelspartnern ihren Ein-
kaufsbeitrag auf den nächsten 10-Cent-Betrag aufzurunden
und die Differenz zugunsten sozialer Projekte zu spenden.
Damit die gespendete Summe vollständig in soziale Zwecke
fließen kann, arbeitet das Team am Sitz des Unternehmens
in Berlin nicht nur an der Umsetzung des gemeinnützigen
Zwecks, sondern auch an der Wirtschaftlichkeit der Tochter-
gesellschaft (Deutschland rundet auf Partner GmbH), die die
operativen Geschäfte der Initiative führt.
Diese beiden Beispiele zeigen: Sozialunternehmen können
sowohl einen sozialen Zweck als auch erwerbswirtschaftliche
Zielsetzungen verfolgen. Sie führen zwei bislang separat be-
trachtete Geschäftsmodelle zusammen und sind damit quasi-
hybride Organisationen aus gemeinnützigen Einrichtungen
und erwerbswirtschaftlichen Unternehmen. Zudem sind sie
in unterschiedlichen Wirtschaftsbranchen oder sozialen (inkl.
ökologischen) Bereichen aktiv und können dabei sowohl er-
werbswirtschaftlich (z.B. GmbH) als auch gemeinnützig (z.B.
Stiftung oder gGmbH) am Markt agieren, teilweise sogar als
hybrides Konstrukt aus beiden Sektoren.
Sozialunternehmen entstehen vermehrt, weil Menschen sich
nicht ausschließlich nach ökonomischen oder ausschließlich
sozialen Zielen richten, sondern häufig beide Richtungen ver-
folgen. Die neoklassische Sichtweise, nach der Menschen als
Sozialunternehmen: Herausforderungen und
Implikationen für das Personalmanagement
Von
Dr. Ingo Ballschmieter
(Mitglied des National Advisory Boards der G8-initiierten Social Impact Investing Taskforce)
Homo oeconomicus versuchen, alleinig ihren wirtschaftlichen
Nutzen zu maximieren, ist spätestens nach der Finanz- und
Wirtschaftskrise ins Wanken geraten. Sozialunternehmen
geben Unternehmern die Möglichkeit, soziale Wirkung zu
erzielen und gleichzeitig die Vorteile der Marktwirtschaft zu
nutzen. In dieser Weise erhalten Menschen die Möglichkeit, ih-
re Arbeitskraft einem Unternehmen zur Verfügung zu stellen
und dennoch eine soziale Mission zu verfolgen (vgl. Battilana
et al., 2011; Porter/Kramer, 2011; Colander, 2012).
Je mehr Sozialunternehmen sich gründen, desto mehr Men-
schen sind deutschlandweit in diesem Sektor tätig. Allerdings
ist kaum bekannt, welche neuen Herausforderungen sich in
Sozialunternehmen für das Personalmanagement ergeben. Das
Ziel dieses Beitrags besteht daher darin, die Idee des Sozi-
alunternehmertums vorzustellen und anschließend relevante
Implikationen für das Personalmanagement in Sozialunterneh-
men aufzuzeigen.
Was sind Sozialunternehmen?
Trotz allen Wohlstands und einer starken Sozialwirtschaft
steht Deutschland vor sozialen und ökologischen Herausforde-
rungen, zu deren Bewältigung innovative Lösungs- und Finan-
zierungsansätze erforderlich sind und werden. Ob Migration,
Kinderbetreuung, Pflege, Umwelt oder Arbeitsmarktintegra-
tion – die Bandbreite ist groß. Dem zunehmend populären
Konzept der sogenannten Sozialunternehmen wird zugetraut,
einen wichtigen Beitrag bei der Lösung dieser Herausforde-
rungen zu leisten. Sie sind insbesondere dort aktiv, wo sie
Lücken im Sozialsystem bzw. Raum für soziale und ökologische
Innovationen vermuten. Zwei wesentliche Charakteristika
zeichnen Sozialunternehmen dabei aus: das Commitment zu
einem selbstgesetzten sozialen Zweck und die Nutzung unter-
nehmerischer Prinzipien (z.B. Sabeti, 2011). Durch das Ent-
wickeln von Lösungen zur Vermeidung bzw. Bewältigung von
ökologischen oder sozialen Problemen wollen sie eine positive
Wirkung auf die Gesellschaft erzielen. Hierzu nutzen Sozi-
alunternehmen betriebs- und marktwirtschaftliche Mechanis-
men und erzielen zumindest einen signifikanten Anteil ihrer
Einnahmen nach dem erwerbswirtschaftlichen Prinzip und
nicht durch Zuwendung oder Spenden. Der soziale Zweck ist