PERSONALquarterly 4/2015 - page 14

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PERSONALquarterly 04/15
SCHWERPUNKT
_PERSONAL & INNOVATION
A
lternde Gesellschaften gelten ökonomisch als wenig
dynamisch. Dieser Zusammenhang birgt insbeson-
dere für Volkswirtschaften Risiken, die in hohem
Maße auf Ideen als Rohstoff angewiesen sind. Diesen
Risiken kann auf betrieblicher Ebene durch personalpolitische
Maßnahmen begegnet werden, um Innovativität zu sichern. Das
in diesemKontext in der praxisorientierten Literatur geforderte
demografiefeste Personalmanagement (BDA 2013) lässt jedoch
theoretische Erklärungen und empirische Nachweise der Wirk-
samkeit empfohlener Maßnahmen zur Sicherung der organisa-
tionalen Leistungs- und Anpassungsfähigkeit vermissen.
Das BMBF-Verbundprojekt „Innografie“
ägt dazu bei, diese Forschungslücke mit einem Mehr­
ebenendesign – Region, Betrieb und Mitarbeiterinnen/Mitar-
beiter umfassend – und mit Bezug zum theoretischen Konzept
der Fortschrittsfähigkeit zu schließen. Im Folgenden stellen wir
Theorie, empirisches Forschungsdesign und ausgewählte Be-
funde quantitativer und qualitativer Studien des betriebswirt-
schaftlichen Teilprojekts vor. Ein Ergebnis des Verbundprojekts
ist ein Analysetool, das Organisationen die Einschätzung von
Stärken und Schwächen mit Bezug zur Innovativität ermöglicht.
Demografischer Wandel und (soziale) Innovationen
Der demografische Wandel – charakterisiert durch eine rückläu-
fige Bevölkerungszahl und einen Anstieg des durchschnittlichen
Alters der Erwerbsbevölkerung – wird die Zusammensetzung
des Personals und damit die Organisationen deutlich verändern
(Zika et al., 2014). Der prognostizierte Mangel an Fach- und Füh-
rungskräften, die steigende Diversität in Teams und die zuneh-
mende Alterung der Belegschaft modifizieren Organisations-
demografien und Personalstrukturen von Betrieben sowohl im
privatwirtschaftlichen als auch im öffentlichen Sektor.
Das Personalmanagement hat die Aufgabe, sowohl die quan-
titative Bereitstellung als auch die Leistungsfähigkeit und Ko-
operationsbereitschaft menschlicher Arbeit im Betrieb – der
Personalressourcen – sicherzustellen. Dabei soll auch ein posi-
tiver Effekt auf Innovativität generiert werden (Laursen/Foss,
2013). Dies erschwert der demografische Wandel, so die Ver-
mutung, aufgrund eines verminderten Angebots an Arbeits-
kräften bei gleichzeitig erhöhter Diversität der Beschäftigten.
Innovativität und Fortschrittsfähigkeit –
Personalwirtschaftliche Implikationen
Von
Christine Gröneweg, Dr. Doris Holtmann
und
Prof. Dr. Wenzel Matiaske
Von Organisationen fordert diese Entwicklung die Fähigkeit,
etablierte Handlungspraktiken der Personalarbeit zu erneu-
ern und impliziert die Notwendigkeit organisationaler Anpas-
sungsfähigkeit (Nienhüser, 2002).
Innovationen werden nicht nur als radikale Erneuerungen
oder inkrementelle Veränderungen von Produkten, Dienstleis­
tungen oder Prozessen verstanden, sondern auch als „soziale“
Innovationen auf organisationaler Ebene definiert, die als ei-
ne Voraussetzung betrieblicher Innovativität gelten (Howaldt/
Schwarz, 2010). Im zugrunde gelegten Verständnis meint In-
novativität die dauerhafte Fähigkeit und Bereitschaft sozialer
Systeme, innovatives Verhalten hervorzubringen und zu stabi-
lisieren. Innovativität ist also keine statische Eigenschaft von
Organisationen, sondern dynamisches Handeln in Abhängigkeit
von betrieblichen Bedingungen.
Theoretischer Bezugsrahmen
Die Veränderungen der Organisationsdemografie und mögli-
che Folgen für die Innovativität betreffen nicht alle Organisati-
onen in gleicher Weise. Um diese Differenzierung theoretisch
zu konzeptualisieren, greifen wir auf den Resource-Depen-​
dence-Ansatz (RDA) zurück. Dieser thematisiert Effektivität
und langfristigen Bestand von Organisationen in Abhängig-
keit von externen Ressourcen (Pfeffer/Salancik, 2003; Mati-
aske et al., 2008). Die externe Ressourcenabhängigkeit wird
in unserem Modell durch die Einbettung von Organisationen
in verschiedene Umwelten (Branche, Region, Arbeitsmarkt
usw.) berücksichtigt. Umweltfaktoren beeinflussen Struktur
und Verhalten der Organisation. Jedoch können Organisati-
onen durch gezieltes strategisches Handeln – insbesondere
mittels Personalstrategien – externen Abhängigkeiten entge-
genwirken. Dabei entscheidet und handelt das Management
von Organisationen unter Unsicherheit. Normativ gewendet
empfiehlt der RDA dem strategischen (Personal-)Management
die Analyse der Organisationsumwelt und die Vermeidung ex-
terner Abhängigkeiten.
Bei der Analyse von Personalstrategien zur Problemhandha-
bung akzentuieren wir die soziale Dimension von Innovativität.
Zu diesem Zweck greifen wir auf den aus der Gesellschafts-
theorie entlehnten Begriff der organisationalen Fortschrittsfä-
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