Immobilienwirtschaft 6/2019 - page 11

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6.2019
In Berlin fordert eine Bürgerinitiative die Verstaatlichung privater Wohnungsbestände.
Müsste die Wohnungswirtschaft einen solchen Eingriff in das Eigentumsrecht hinnehmen?
Was Bestandshalter und Investoren aktuell beachten sollten.
zwar nicht nur fürMenschenmit geringem
Einkommen, sondern für alle. Überdies
enthält sie einen Verfassungsauftrag für
das genaue Gegenteil vonVerstaatlichung:
die Bildung von Wohnungseigentum.
Dessen ungeachtet sind Eigentü­
mer von Wohnungsbeständen und zur
Wohnbebauung geeigneter Grundstücke
schon heute verschiedenen gesetzlichen
und satzungsrechtlichen Beschränkun­
gen unterworfen, die sich aus der Sozi­
albindung des Eigentums ergeben. Die
in jüngster Zeit relevantesten Beschrän­
kungen sind Zweckentfremdungsverbote,
Milieuschutzgebiete und Baugebote.
Zweckentfremdungsverbote untersagen,
Wohnraum zu anderen Zwecken als zum
Wohnen zu nutzen. Für Ausnahmegeneh­
migungen bestehen hoheHürden. Für Im­
mobilien in Milieuschutzgebieten beste­
hen zwei zentrale Beschränkungen: Zum
einen bedürfen bauliche Änderungen,
Nutzungsänderungen und Abriss einer
gesonderten milieuschutzrechtlichen Ge­
nehmigung. Zum anderen steht der Ge­
meinde ein Vorkaufsrecht an den Grund­
stücken zu. Hiervon wird insbesondere
in Berlin in letzter Zeit immer häufiger
Gebrauch gemacht.
Nach allem ist festzuhalten, dass die
geforderte Verstaatlichung von Woh­
nungsunternehmen nicht nur den verfas­
sungsrechtlichen Rahmen der Sozialbin­
dung des Eigentums sprengt. Sie bindet
Kräfte am falschen Ende und lenkt von
offensichtlichen Lösungen ab. Dabei gibt
es einen breiten Konsens, dass nachhal­
tige Schritte zur Entspannung des Woh­
nungsmarktes ergriffen werden müssen.
Die politischen Verantwortlichen sollten
die vielfältigen Vorschläge der Immobi­
lienbranche aufgreifen und im Rahmen
einer konzertierten Aktion umsetzen: für
Neubau – statt Enteignung!
Hinblick auf alle frei finanzierten Woh­
nungsbestände. Die gesetzliche Regelung
der Miethöhe hat der Bund durch das
im Bürgerlichen Gesetzbuch verankerte
Mietpreisrecht schon seit Jahrzehnten,
jüngst in Gestalt der Mietpreisbremse,
abschließend an sich gezogen. Das ist sein
gutes Recht, da das Bürgerliche Recht nach
Art. 74 GG Gegenstand der konkurrie­
rendenGesetzgebung zwischen Bund und
Ländern ist. Die Länder sind auf diesem
Feld zur Gesetzgebung nur befugt, solange
und soweit nicht der Bund in diesen Be­
reichen bereits Gesetze erlassen hat. Miet­
preisbremse undMietendeckel regeln aber
denselben Lebenssachverhalt. Denn der
Mietendeckel ist nichts anderes als die ge­
setzliche Anordnung, die Mietpreisbrem­
se wie eine Handbremse bis zumAnschlag
anzuziehen. Durch die Einführung eines
solchen parallelen Mietpreisrechts auf
Landesebene würde das Mietpreisrecht
des Bundes konterkariert und damit ein
Grundpfeiler unserer föderalenOrdnung,
das Konzept der konkurrierendenGesetz­
gebung, ad absurdum geführt.
Aus der Sozialbindung
ergeben sich viele
Beschränkungen
Statt verfassungswidrige Vorhaben
wie Verstaatlichung und Mietendeckel zu
verfolgen, sollte sich das Land Berlin auf
seine Landesverfassung besinnen. Art. 28
der Verfassung von Berlin schreibt vor:
„Das Land fördert die Schaffung und Er­
haltung von angemessenem Wohnraum,
insbesondere für Menschenmit geringem
Einkommen, sowie die Bildung vonWoh­
nungseigentum.“ Die Landesverfassung
enthält also weder den Auftrag noch die
Ermächtigung zur flächendeckendenVer­
staatlichung – sondern explizit zur Schaf­
fung von angemessenemWohnraum. Und
«
Dr. Christian Schede und Dr. Johann-Frederik Schuldt,
Greenberg Traurig
„Das beabsichtigte Gesetz
würde gegen das verfas-
sungsrechtliche Übermaß-
verbot verstoßen, weil es
zur Schaffung bezahlbaren
Wohnraums weder geeig-
net noch erforderlich ist.“
Dr. Johann-Frederik Schuldt,
Associate in der Branchengruppe
Immobilien, Greenberg Traurig
„Für die Immobilienwirt-
schaft stellt sich die Frage,
welche Eingriffe sie auf-
grund der Sozialbindung
des Eigentums hinnehmen
muss. Im Ergebnis zeigt
sich hier ein anderes Bild,
als es die Berliner Bür-
gerinitiative zu zeichnen
versucht.“
Dr. Christian Schede,
Managing
Partner, Leiter der Branchengruppe
Immobilien, Greenberg Traurig
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