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POLITIK, WIRTSCHAFT & PERSONAL
I
ENTEIGNUNGSDEBATTE
Staatliche Eingriffe haben Grenzen
D
ie Berliner Bürgerinitiative „Deut
scheWohnen&Co. enteignen“ strebt
die Verstaatlichung von privaten
Wohnungsunternehmen mit mehr als
3.000 Wohnungen an. Sie will dies mittels
eines Volksbegehrens erreichen, das den
Berliner Senat zur Vorlage eines entspre
chenden Gesetzentwurfs auffordert. Die
Berliner Debatte hat inzwischen bundes
weit eine grundsätzliche Diskussion über
die Eckpfeiler der deutschen Wirtschafts
verfassung ausgelöst. Für die Immobilien
wirtschaft stellt sich die Frage, welche Ein
griffe sie aufgrund der Sozialbindung des
Eigentums hinnehmenmuss. Als Antwort
zeichnet sich ein anderes Bild ab als das
der Berliner Bürgerinitiative.
Das Land Berlin
muss ganz andere
Instrumente nutzen
Eine Verstaatlichung von privaten
Wohnungsunternehmen stellt bereits aus
verfassungsrechtlichen Gründen keinen
gangbaren Weg dar, um das Problem des
Mangels an bezahlbarem Wohnraum zu
lösen. Das Grundgesetz (GG) erlaubt in
Art. 15 zwar grundsätzlich eine Vergesell
schaftung, das heißt die Verstaatlichung
von Grund und Boden gegen angemes
sene Entschädigung. Das Vorhaben der
Bürgerinitiative ist jedoch aus einer Viel
zahl von Gründen verfassungswidrig –
eine Auffassung, die inzwischen durch
eine zunehmende Zahl an Rechtsgutach
ten und Fachaufsätzen gestützt wird.
Bereits die Schwelle von 3.000 Woh
nungen ist willkürlich gewählt und dürfte
daher einen Verstoß gegen das Gleich
heitsgebot nachArt. 3GGdarstellen. Auch
ist zweifelhaft, ob die Verstaatlichung von
rund 250.000Wohnungen überhaupt eine
hinreichende Entspannung auf demBerli
nerWohnungsmarkt bewirken würde, die
das serielle Bauen erleichtern, Bauland
reserven mobilisieren, selbst mehr Sozi
alwohnungen bauen oder die Wohngeld
förderungen ausbauen. Diese Instrumente
muss das Land Berlin nutzen, bevor eine
Verstaatlichung rechtlich überhaupt nur
in Betracht gezogen werden kann.
Dass indes nicht jedes der in der ge
genwärtigen Diskussion propagierten
alternativen Instrumente zur Lösung des
Problems geeignet ist, zeigt ein Blick auf
den „Berliner Mietendeckel“. Mit diesem
derzeit viel diskutierten Instrument sol
len für einen Zeitraum von fünf Jahren
für sämtliche bezugsfertige Wohnungen,
mit Ausnahme vonNeubauten, dieMieten
eingefroren werden. Auch hiergegen be
stehen gravierende verfassungsrechtliche
Bedenken. Denn beurteilt auf Basis der
bisher bekannten Regelungsvorschläge
fehlt dem Land Berlin, genauso wie al
len anderen Bundesländern, die Gesetz
gebungskompetenz – jedenfalls im
als verfassungsrechtliche Voraussetzung
erfüllt sein müsste. Davon unabhängig
würde das Vorhaben jedenfalls die Schul
denbremse des Grundgesetzes verletzen,
da die betroffenen Wohnungsunterneh
men in Milliardenhöhe entschädigt wer
den müssten. Entscheidend aber dürfte
sein, dass das beabsichtigte Gesetz gegen
das verfassungsrechtliche Übermaßverbot
verstoßen würde, weil es zur Schaffung
bezahlbaren Wohnraums weder geeignet
noch erforderlich ist. Es ist ungeeignet,
Wohnraum für Haushalte mit geringem
Einkommen zu schaffen, weil durch die
Verstaatlichung keine einzige neue Woh
nung gebaut wird. Vor allem ist die Ver
staatlichung aber nicht erforderlich, da
eine Vielzahl weniger stark ins Eigentum
eingreifender Instrumente zur Verfü
gung steht, mit denen der Wohnungs
markt nachhaltig entlastet werden kann.
So könnte das Land Berlin etwa die Bau
genehmigungsverfahren vereinfachen,
Foto: picture alliance/dpa-Zentralbild
Die Berliner Bürgerinitiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ strebt die Verstaatlichung
von privaten Wohnungsunternehmen mit mehr als 3.000 Wohnungen an.