Immobilienwirtschaft 7/2018 - page 17

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-8.2018
EU-Förderung setzt auf
mehr Bürgernähe
A
m 29. Mai 2018 veröffentlichte die EU-Kommission ihre Verordnungsentwürfe zur
Neuausrichtung der EU-Regional- und -Strukturförderung für die Programmperi-
ode 2021 bis 2027. Damit ist die Verhandlungsrunde mit Rat und Europaparlament
formal eingeläutet. Es sieht so aus, als würden die Anhänger der EU-Kohäsionspolitik
noch einmal mit einem blauen Auge davonkommen. Noch vor gut einem Jahr gab es
dunkle Zukunftsszenarien zur Abschaffung der Regionalförderung. Die dunklen Wol-
ken haben sich nun zwar ein Stück weit verzogen. Dennoch scheint ein stabiles Hoch
in weiter Ferne.
Da ist zunächst die Frage des Geldes. Das durch den Brexit gerissene Finanzloch
soll durch Umschichtungen geschlossen werden. Selten zuvor stand die Frage nach dem
„europäischen Mehrwert“ einzelner Fördertöpfe so stark im Zentrum wie bei der aktu-
ellen Debatte. Was kann und soll also mit den noch zur Verfügung stehenden Mitteln
gefördert werden?
Deutschland wird trotz der Bereitschaft zu höheren Einzahlungen in den EU-Haus-
halt 21 Prozent weniger Regionalfördermittel erhalten. Die verbleibenden 15,7 Milliar-
den Euro sollen allerdings in alle Bundesländer fließen. Der größte Teil der Förderung
geht künftig anMaßnahmen für intelligentes und innovativesWachstumund unterstützt
die Digitalisierung. Er wirdweiterhin zumAusbau der Forschungslandschaft verwendet,
zur Minderung des CO₂-Ausstoßes, zur Integration vonMigranten und benachteiligten
Bevölkerungsgruppen und für Gesundheitsinvestitionen.
Das bedeutet aber nicht, dass die Mittel nur in dynamische Wachstumszentren flie-
ßen. Gerade auch in den besser entwickelten Regionen der EU sollen strukturschwächere
Gebiete angesprochen werden. Die Kohäsionspolitik will insbesondere jene Menschen
erreichen, die sich abgehängt fühlen, weil ihnen in den Klein- und Mittelstädten sowie
in denDörfern des ländlichen Raums zunehmendAngebote der Daseinsvorsorge fehlen.
Sie richtet sich ebenso anMenschen in Gebieten, die einen strukturellenWandel durch-
laufen. Damit soll gezielt europaskeptischen Strömungen begegnet werden. Unter dem
übergeordneten Ziel eines „bürgernahen Europas“ werden deshalb integrierte Entwick-
lungsstrategien gefördert, in denen verschiedene Themenfelder in einem kohärenten
Konzept zusammenwirken. Dies umfasst sowohl städtische Gebiete mit besonderem
Entwicklungsbedarf als auch funktionale, interkommunale Gebiete.
Etwas Unklarheit birgt die Ankündigung einer „Europäischen Stadtinitiative“, die
ausschließlich durch die EU-Kommission koordiniert werden soll. Darunter fielen kom-
munale Austauschprogramme, innovative städtische Pilotprojekte sowie die Städtische
Agenda der EU –Themenfelder also, in denen die Mitgliedstaaten derzeit ein gehöriges
Mitspracherecht haben. Unter dem Argument einer einfacheren Koordination möchte
die EU-Kommission die Umsetzung dieser Maßnahmen selbst bestimmen und nicht
wie bisher gemeinsammit den Mitgliedstaaten. Ob damit mehr Bürgernähe geschaffen
werden kann, darf bezweifelt werden.
Die nun kommenden Monate werden harte Verhandlungsrunden mit sich bringen.
Idealerweise sollten bis Ostern 2019 die Verordnungen im Gesetzgebungsverfahren
durchgebracht sein. Denn dann stehen die nächsten Europawahlen an. Mit Blick auf die
Europawahlenmuss gerade die EU-Kohäsionspolitik glaubhaftmachen, dass es ihr ernst
ist mit der Bürgernähe, damit nicht diejenigen die EU-Förderung abwählen, die diese ei-
gentlich erreichen sollte. Mit Hilfe integrierter Stadtentwicklung kann dies gelingen.
Hella Dunger-Löper macht sich Sorgen um
die Zukunft der Regionalförderung seitens
der Europäischen Union.
Deutscher Verband
Die EU-Kommission setzt in
der EU-Kohäsionspolitik auch
zukünftig auf die Förderung
der Stadtentwicklung –
und das ist gut so, findet
der Deutsche Verband.
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Hella Dunger-Löper, Staatssekretärin a.D., ist Vorsitzende der AG Europa im Deutschen Verband
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