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2-01.2017
beschlossen. Aber von einer konkreten Umsetzung der klugen
Ideen habe ich noch nichts gehört.
Am ersten Konventtag geht es im „Basislager der Baukultur“
unter anderem um den Klimawandel, um technologische Erneu-
erungen, die Digitalisierung ländlicher Räume, die Vermittlung
von gutem Bauen, um Holzbau, das Studium und um die 128
Gestaltungsbeiräte, die es mittlerweile in Deutschland gibt. Aber
das Basislager ist kein friedlicher Ort. Die Schauplätze der Aus-
einandersetzungen sind vielfältig.
Und jeder Akteur will auf seine spezifische Weise mitreden
und angesprochen werden. Für eine kleine Kommunikations-
stiftung mit Riesenthema eine nahezu unlösbare Aufgabe. Die
Stiftung hat endlos viele Zielgruppen. Riesenklüfte tun sich auf
zum Beispiel zwischen Öffentlichkeit und Fachleuten. Auch
unterscheiden sich private Bauherren stark von öffentlichen
Bauherren. Schon die Immobilienwirtschaft besteht mit Archi-
tekten, Ingenieuren, Maklern, Entwicklern, Rechtsanwälten und
Investoren aus sehr unterschiedlichen Gruppen. Auch die Bau-
wirtschaft, die Wohnungsbaugesellschaften, das Bauhandwerk,
die Politik, die Baukulturinitiativen und die Nutzer sprechen
unterschiedliche Sprachen, haben zumeist sehr unterschiedliche
Sichtweisen, Standpunkte und Ziele.
Roland Gruber berichtet von der Front. Er ist Vorsitzender
von „LandLuft“, ein „Verein zur Förderung von Baukultur in länd-
lichen Räumen“. Er geht also dahin, wo sonst keiner ist. Er hat bei
öffentlichen Beteiligungsveranstaltungen die Erfahrung gemacht,
dass „Baukultur“ als Begriff nicht verstandenwird. Zu distanziert,
abstrakt und elitär. Beteiligungskultur muss aber Spaß machen,
Signalwörter zumWegzappen, wie „Kultur“ oder gar „Baukultur“,
sind in der Öffentlichkeit für ihn als Begriffe „verboten“. Roland
Gruber fährt schon mal mit einem neu gewählten Gemeinderat
imBus auf Bestpractice-Besichtigungstour. Nach drei Tagen frak-
tionsübergreifenden Staunens und Debattierens über die guten
Lösungen in der Fremde wollen alle zuhause gemeinsamdieWen-
de packen und ihre Gemeinde zukunftsfit machen.
Auch in der Immobilienwirtschaft ist der Begriff „Baukultur“
kein Triggerpoint. Auf dem gerade abgehaltenen ZIA Innovation
Day im Gasometer von Günther Jauch in Berlin geht es um die
digitale Transformation im eigenen Unternehmen, die Zusam-
menarbeit mit PropTech-Start-ups, um Building Information
Modeling, Robotic Process Automation und weitere aktuelle
Trends. Aber das Wort „Baukultur“ kam über zwei Tage kein
einziges Mal vor.
Die einzelnen Akteure sind immer noch nicht ausreichend
vernetzt. Vorurteile, Ressentiments und Unkenntnis sind die
Hürden, die es zu überwinden gilt. Hier versucht die Bundes-
stiftung anzusetzen. Sie ist auf allen Bühnen anwesend, auch auf
der Mipim. Auf der Expo Real sogar mit eigenem Stand. Überall
geht es um freundliche Gesprächsangebote. Gesprächsangebote
zumeist an Fremde. Nicht einmal zehn Prozent der Bevölkerung
behaupten in Umfragen, die Stiftung Baukultur zu kennen. Auch
wenn die allermeisten den Grunewald, die Villenvororte und die
Innenstädte zu schätzen wissen, heißt das noch lange nicht, dass
sie verstehen, was zu ihrem Erhalt und Ausbau getan werden
muss.
Aber als Stiftung ohne substanzielles Stiftungskapital ist sie
auf eine Finanzierung aus den Haushalten der Bundesregierung
angewiesen. Das sind zurzeit 1,4 Millionen Euro im Jahr. Gerade
einmal sieben Stellen und etwas Programm lassen sich damit fi-
nanzieren. Enorm, was das kleine Team bewegt. Aber angesichts
der 2,6 Millionen Beschäftigten des Planens und Bauens für 82
Millionen Bürgerinnen und Bürger in Deutschland, die pro Jahr
über 300 Milliarden Euro verbauen, ist das vergleichbar mit
einem Ruderboot auf dem Ozean.
Die Stiftung ist zu klein, um proaktiv vorgehen zu können.
Um unaufgefordert an die Städte und Gemeinden herantreten
zu können und um sie aktiv in Fragen der Baukultur zu bera-
ten, braucht die Stiftung ein Team von mindestens 50 Personen.
Auch könnte eine finanziell unabhängigere Institution deutlich
mehr Wirkung in den politischen Komplex hinein entwickeln
und strukturelleThemen angehen. Umnicht unterzugehen, muss
die Stiftung gehört werden. Doch dazu fehlt es ihr zurzeit an
Macht undMitteln. Baukultur muss uns in Deutschland deutlich
mehr wert sein.
Die Baukultur muss uns in Deutschland deutlich mehr wert sein.
Der „Stiftung Baukultur“ fehlt es dazu jedoch im Moment an Macht und
Mitteln. Das Team ist zu klein, um proaktiv vorgehen zu können.
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ZUR PERSON
Eike Becker
leitet seit Dezember 1999 mit Helge Schmidt gemeinsam das Büro Eike Becker_Architekten in Berlin.
Internationale Projekte und Preise bestätigen seitdem den Rang unter den erfolgreichen Architekturbüros in Europa. Eike Becker_Architekten arbeiten
an den Schnittstellen von Architektur und Stadtplanung mit innovativen Materialien und sozialer Verantwortung.