Immobilienwirtschaft 7/2015 - page 17

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die Projekte zwar verändert, aber in der
Regel nicht verbessert werden. Und auch
über 80 Prozent der Investoren fürchten
die Manipulationsgefahr durch Minder-
heiten.
Dauern Prozesse länger?
Die Geister
scheiden sich auch, wenn es um Bürger-
beteiligung bei privatenMaßnahmen geht.
Bürgermeister und alle Abgeordneten sind
mit 60 bis 70 Prozent zustimmend, Inves-
toren aber nur zu einem Drittel. Zudem
meinen sowohl Investoren als auch Ab-
geordnete, dass eine aktive Bürgerbeteili-
gung die Umsetzung von Projekten in die
Länge zieht. Nur Bürgermeister sind hier
ambivalent: Sie erkennen oft gesteigerte
Projektqualitäten – und das ohne Zeitver-
lust. 95 Prozent der Investoren fürchten
solche Verzögerungen.
Auch über die Hälfte der Bürgermeis-
ter und drei Viertel der Parlamentarier
beider Länder sehen das so. Beachtens-
wert ist das Meinungsbild der Bürgermei-
ster. Mehr als 40 Prozent sind trotz zahl-
reicher praktischer Erfahrungen davon
überzeugt, dass eine moderne Bürgerin-
tegration denGenehmigungsprozess nicht
verlängert.
Und was ist mit Bürgerbeteiligungen auf
Bundesebene in Deutschland? 40 Prozent
der deutschen Parlamentarier lehnen dies
strikt ab, aber nur acht Prozent der hierin
erfahrenen Kollegen in Österreich sind
dagegen. Österreichische Parlamentarier
sind generell offener, positiver und bür-
gernäher als deutsche Abgeordnete. Und
auch vor einerManipulation fürchten sich
die Deutschen mehr als ihre Nachbarn in
Österreich. Letztere kennen den direkten
Bürgerwillen auf Bundesebene bereits, in
Deutschland ist der Bund (noch?) freige-
stellt von diesemdirekten Bürgerregulativ.
Dem Projektteam ging es bei der Stu-
die um ein Stimmungsbild und gerade
nicht um eine fundierte Intensivumfrage
mit wissenschaftlicher Signifikanz. Die
Ergebnisse der Befragung der ausgewähl-
ten 990 Interessensvertreter sind insoweit
eher „indikativ“ oder „intuitiv“ zu verste-
hen. Die durchschnittliche Rücklaufquote
je Zielgruppe betrug über 25 Prozent. Die
höchste kam von den Investoren (46 Pro-
zent), Schlusslicht waren die deutschen
Bundestagsabgeordneten (7 Prozent).
summary
»
Bürgermeister, Investoren und Abgeordnete sehen die Gefahr, dass
durch Bürger-
beteiligung Minderheits- zu Mehrheitsmeinungen
werden.
»
Über 80 Prozent der Inves-
toren
glauben, dass durch solche Prozesse Projekte nicht verbessert werden.
»
Investoren und
Abgeordnete meinen, dass Bürgerbeteiligung die
Umsetzung von Projekten in die Länge zieht
.
»
40 Prozent der Parlamentarier
lehnen Bürgerbeteiligung auf Bundesebene strikt ab
.
«
Prof. Dr. Winfried Schwatlo FRICS,
Professor an der HfWU Nürtingen-Geislingen
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„Bürgerentscheide“ sind ein
Instrument direkter Demo-
kratie. Das ist terminologisch
nicht das Gleiche wie „Bürger-
beteiligung“. Bürgerentscheide
mit bindender Wirkung sind in
Deutschland kommunal, also
landesgesetzlich, geregelt.
Hingegen kann eine moderne
Bürgerbeteiligung in viel-
fältigen Formen umgesetzt
werden. Das Spektrum der
Bürgerintegration reicht hier
von transparenten Infor-
mationsveranstaltungen in
Versammlungsstätten bis hin
zu Bürgerblogs im Inter-
net und Online-Voting zur
unterstützenden Meinungs-
bildung für die gewählten
Repräsentanten. Mit den
Bürgern im Dialog kooperieren
ist ein stärkeres Instrument
als Bürgerkonsultation oder
reine Information. Insgesamt
werden diese Begriffe heute
überwiegend noch unklar
verwendet und nicht jeder
versteht folglich unter einem
dieser Begriffe dasselbe.
Die Praxis der Fragestellung
bei Bürgerentscheiden bedarf
dringend einer Reform. Es
versteht kaum ein Bürger,
warum er mit Ja antworten
muss, wenn er gegen etwas
ist. Dieser Punkt ist derzeit
definitiv unsinnig überregu-
liert. Etwa 70 bis 85 Prozent
der Zielgruppen halten hier
eine Nachbesserung sogar für
dringend erforderlich.
Bürgerbeteiligung
Die Terminologie ist nicht scharf abgegrenzt
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