Immobilienwirtschaft 7/2015 - page 15

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-8.2015
ein stärkeres Wirtschaftswachstum nicht
verkraften. Daher erscheint ein Ausstieg
aus der Niedrigzinspolitik frühestens
2017 nicht unplausibel, zumal die nied-
rigen Inflationserwartungen immer noch
die Gefahr einer Deflation anzeigen.
Würde sich der Boom allerdings nur auf
die Zinsentwicklung stützen, wäre dies
ein Grund für große Besorgnis, schließ-
lich würden sich dann Finanzmarkt und
Realwirtschaft zunehmend entkoppeln,
und spätestens wenn die Zinsen dann
doch irgendwann steigen, würde es eine
scharfe Korrektur geben. Dies wäre tat-
sächlich die Analogie zu Spanien und
Großbritannien.
Deutschland ist nicht Spanien
Die
Lage in Deutschland ist jedoch anders
zu beurteilen. Neben der Nachfrage der
Anleger gibt es auch eine starke Nachfra-
ge der Nutzer. Bedingt durch die starke
Zuwanderung nach Deutschland – allein
2014 eine Nettozuwanderung von 450.000
Menschen – besteht ein erheblicherMehr-
bedarf an Wohnungen.
Hinzu kommt, dass gerade die Groß-
städte stark wachsen, nicht nur aufgrund
der Zuwanderung aus dem Ausland,
sondern auch aus dem Inland. So wächst
allein Berlin derzeit jährlich um 40.000
Menschen. Ein wesentlicher Grund hier-
für ist der starke Arbeitsplatzaufbau, ge-
rade auch im Bereich wirtschaftsnaher
Dienstleistungen. Dies beflügelt auch den
Büromarkt. Allein in Berlin ist seit 2010
die Bürobeschäftigung um 13,2 Prozent
gestiegen, aber auch in vielen anderen A-
und B-Städten gab es seitdem zweistellige
Zuwachsraten. In Deutschland insgesamt
gibt es seit 2010 über neun Prozent mehr
Bürobeschäftigte. Da mehr Menschen
mit höheren Einkommen auch mehr
konsumieren, kann auch der Einzelhan-
del profitieren, auch wenn sich hier ein
zunehmender Teil der Zuwächse in den
Online-Markt verlagert.
Der Boom steht auf soliden FüSSen
Der
Boom steht damit tatsächlich auf soliden
Füßen und es sind aktuell wenige Risiken
zu erkennen. Selbst ein Grexit würde die
Immobilienkonjunktur wahrscheinlich
nur wenig beeinträchtigen. Wahrschein-
lich käme es sogar zu einer weiteren Fo-
kussierung der Binneninvestitionen, weil
die Risiken in den Auslandsmärkten dann
wieder offensichtlicher werden.
Allerdings ist bislang noch jeder Boom
irgendwann zu Ende gegangen, und auch
in Deutschland wird sich die Preisdyna-
mik zumindest wieder normalisieren. Die
entscheidende Frage für Anleger – sowohl
privat als auch institutionell – ist nur, wel-
che Folgen der Ausstieg aus dem Boom
nach sich ziehen wird. Typisch für jeden
Boom ist, dass mit steigenden Preisen
auch immer mehr Angebote in denMarkt
kommen, deren Qualität schlechter ist als
erwartet. In vielen Märkten häufen sich
dann die „Glücksritter“ und „Scharlatane“,
die amBoompartizipierenwollen und auf
schnelles Geld aus sind und beispielsweise
Fälschungen anbieten.
Überhöhte Preise
Übertragen auf den
Immobilienmarkt bedeutet dies, dass
jetzt vermehrt Anbieter in den Markt
drängen, die Immobilien zu überhöhten
Preisen anbieten. Jetzt ist schließlich die
Zeit, endlich die Bestände zu veräußern,
die bislang als unverkäuflich galten. Wer
sich unter der großen Nachfragekonkur-
renz nun zu schnellen Abschlüssen ohne
genaue Prüfung hinreißen lässt, weil an-
sonsten womöglich andere das Geschäft
machen, kauft sich mitunter die Problem-
immobilien von morgen ein. Irgendwann
geht auch diese Party zu Ende – ob es ein
gelungenes Ende gibt oder ein Erwachen
mit Kopfschmerzen, entscheidet sich in
den nächsten Monaten.
summary
»
Nach den Ergebnissen des IW Immobilien-Index
erachten fast alle Unternehmen ihre aktuelle Geschäftslage als gut.
Insbesondere Wohnungsunternehmen und Projektentwickler weisen mit Lagewerten jenseits von 90 (100 ist der Maximalwert) sehr hohe Werte auf.
»
Die Marktteilnehmer gehen noch von einer
längeren Boomphase
aus. Der Markt steht tatsächlich auf soliden Füßen und es sind aktuell wenige
Risiken zu erkennen.
»
Allerdings drängen vermehrt Anbieter in den Markt, die
Immobilien zu überhöhten Preisen
anbieten.
«
Prof. Dr. Michael Voigtländer,
Institut der deutschen Wirtschaft, Köln
Der
IW Immobilien-Index
ist ein
Geschäftsklimaindex, den das Institut
der Deutschen Wirtschaft (IW) Köln in
Kooperation mit der Wirtschaftsprü-
fungsgesellschaft RBSM erstellt. Für den
Index werden alle großen in Deutsch-
land ansässigen Immobilieninvestoren
und Projektentwickler zu ihrer aktuellen
Geschäftslage, zu ihren Erwartungen
sowie zu Mietentwicklung, Wertentwick-
lung und Bestandsveränderungen ihrer
Portfolien befragt.
Weitere Informationen finden sich unter
Immobilienwirtschaft blickt
optimistisch in die Zukunft
Der Erwartungswert des IW Immobilien-Index
zeigt, welche Veränderung der Geschäftslage
die Unternehmen in den nächsten zwölf Mo-
naten erwarten. Ein positiver Wert zeigt, dass
die Mehrheit von weiteren Verbesserungen der
Geschäftslage ausgeht.
Erwartungen
Quelle: IW Köln
Gesamt
Büro
Handel
Wohnen
Projektentwickler
IW Immo-
bilien-Index
Q2
2014
Q3
2014
Q4
2014
Q1
2015
Q2
2015
70,0
60,0
50,0
40,0
30,0
20,0
10,0
0
1...,5,6,7,8,9,10,11,12,13,14 16,17,18,19,20,21,22,23,24,25,...76
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