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7|2019
MARKT UND MANAGEMENT
Interview mit Franz-Bernd Große-Wilde
und Florian Ebrecht
„Nachhaltigkeit gibt es für uns nicht
in einer Light-Version“
Die 125 Jahre alte Spar- und Bauverein eG Dortmund (Sparbau) ist eine der Vorreiterinnen bei der Veranke-
rung von Nachhaltigkeitskriterien in der Wohnungswirtschaft. Als eines der ersten Unternehmen der Branche
unterzeichnete sie die Entsprechenserklärung des Deutschen Rats für nachhaltige Entwicklung. Der Vorstands-
vorsitzende Franz-Bernd Große-Wilde und der Prokurist für Technisches Gebäudemanagement Florian Ebrecht
erklären, warum der alte Gedanke der Nachhaltigkeit wieder größere Aufmerksamkeit verdient.
Herr Große-Wilde, Herr Ebrecht: Was bedeu-
tet Nachhaltigkeit für Sie – in Ihrer berufli-
chen Rolle und privat?
Große-Wilde:
Nachhaltigkeit bedeutet für mich
auf jeden Fall eine Substanz- und Wertentwick-
lung über eine relativ lange Periode, die wir nicht
kurzfristig in der Strategie verändern. Es ist quasi
ein roter Faden, der sich durch Prozesse im Un-
ternehmen zieht – also etwas Tiefgehendes, das
alle Geschäftsfelder abdeckt. Seit sechs Jahren
steht das Thema Nachhaltigkeit bei der Sparbau
im Fokus. 2016 haben wir als eines der ersten
Wohnungsunternehmen die Entsprechenserklä-
rung zumDeutschen Nachhaltigkeitskodex unter-
zeichnet. Derzeit durchlaufen wir wiederum ein
Zertifizierungsverfahren zur Bestätigung dieses
Nachhaltigkeitssignets vom Rat für Nachhaltige
Entwicklung in Deutschland.
Privat ist es für mich ein Sachverhalt, Dinge zu
reflektieren, zu hinterfragen, das Bewusstsein zu
schärfen für die eigene Lebensführung.
Ebrecht:
Beruflich bedeutet es für mich im We-
sentlichen, den Einklang und die Harmonisierung
der drei Nachhaltigkeitsdimensionen Ökologie,
Ökonomie und Soziokultur zu erreichen. Diese
müssen wir in unserer Unternehmensstrategie
manifestieren und die Verstetigung operationa-
lisierend sicherstellen.
ImPrivaten sehe ich Nachhaltigkeit als Grundhal-
tung im Alltag: Wir sollten uns intensiver damit
auseinandersetzen, welche Produkte und Dienst-
leistungen wir einkaufen oder wie nachhaltig un-
ser Mobilitätsverhalten ist.
Wenn Nachhaltigkeit so gezielt gesetzt wird,
wie Sie es bei der Sparbau tun – inwiefern
verändert diese Implementierung die Unter-
nehmensstrategie?
Ebrecht:
Grundsätzlich führen strategische Ent-
wicklungen und die operative Umsetzung zu ei-
nemVeränderungsprozess imUnternehmen. Dies
wirkt auf die zu bearbeitenden Kernprozesse und
Tätigkeiten der Mitarbeiter und führt dazu, dass
wir uns von der Basis aus grundlegend mit dem
Unternehmen beschäftigen. Dies ist auch notwen-
dig! Denn in Anbetracht aktueller und zukünftiger
Herausforderungen der Branche – es seien nur der
demografische und soziokulturelle Wandel sowie
die Digitalisierung genannt – gibt es einiges zu tun.
Das Geschäftsmodell Genossenschaft wirkt
per se nachhaltig. Aus welchem Grund haben
Sie dennoch Nachhaltigkeit ausdrücklich als
Leitbild formuliert, und wie verankern Sie
dieses immer tiefer im unternehmerischen
Denken und Handeln?
Große-Wilde:
Das nachhaltige Gedankengut führt
imDenken und Agieren der genossenschaftlichen
Akteure zu einer Bewusstseinsschärfung, zu Sinn-
stiftung und zu nachvollziehbarer Anschaulich-
keit. Es gilt, dem oft pauschal und oberflächlich
genutzten Modewort Nachhaltigkeit Struktur im
konkreten Handeln zu geben, Prozessabläufe und
Messkriterien dazu zu definieren.
Deshalb brechen wir für jeden Geschäftsbereich
der Genossenschaft die nachhaltigen Zieldefi-
nitionen in transparente Handlungsweisen her-
unter, definieren Meilensteine, Kennzahlen und
Geschäftsprozesse, umdie Zielerreichung reflek-
tieren zu können.
Indem Sie es so konkret machen, nehmen Sie
die Luft aus dem Begriff Nachhaltigkeit?
Große-Wilde:
Damit das strategische Ziel, nach-
haltig zu handeln, nicht zur bloßen Floskel ver-
kommt, muss es möglichst konkret, strukturiert
und anschaulich werden. Es geht darum, im Zu-
sammenspiel der Handlungsansätze Zielemit kon-
kreten Maßnahmen zu hinterlegen, statt auf den
Geschäftsbereichsebenen mit einem Tunnelblick
nebeneinanderher zu arbeiten. Wir halten es für
notwendig, Folgewirkungen geschäftsfeldüber-
greifend zu denken, Materialeinsatz und Stoffflüs-
se im Lebenszyklus zu betrachten.