DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 7/2019 - page 62

MARKT UND MANAGEMENT
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7|2019
Wohnungstausch
Wie eine gute Idee verpufft
Theoretisch klingt das Konzept überzeugend: Ältere Menschen wechseln zu günstigen Konditionen
in eine kleinere Wohnung und machen damit ihre großzügige Bleibe für Familien frei. Mehrere Projekte
in deutschen Städten bieten solche Tauschportale an in der Hoffnung, damit einen Beitrag gegen
die Wohnungsknappheit zu leisten. Diesen Bemühungen ist eines gemeinsam: Sie sind auf geradezu
frustrierende Weise erfolglos.
Für die SPD-Fraktion in der Bezirksversammlung
Hamburg-Altona ist sie ein wesentlicher Beitrag
im Kampf gegen die Wohnungsknappheit: eine
kommunaleWohnungstauschbörse. „ÄltereMen-
schen sind oftmals bereit, in kleinereWohnungen
umzuziehen, wenn damit eine spürbare finanzielle
Entlastung einhergeht und die Wohnung in der
Nähe des bisherigen Wohnumfelds liegt“, sagt
Ilona Schulz-Müller, sozialpolitische Sprecherin
der SPD-Fraktion Altona. Deshalb beschloss die
Bezirksversammlung im Januar 2019 im Ge-
spräch mit dem kommunalen Wohnungsunter-
nehmen SAGA, Genossenschaften und privaten
Wohnungsunternehmen, die Realisierung einer
solchen Wohnungstauschbörse zu prüfen.
Auch anderswo in der Republik setzen Politiker
und Experten große Hoffnungen in dieses Inst-
rument. Denn der Wohnraum ist gerade in Städ-
ten mit angespanntemWohnungsmarkt ungleich
verteilt: Auf der einen Seite bleiben viele ältere
Menschen auch dann in ihrer eigentlich zu groß
gewordenen Wohnung, wenn die Kinder längst
ausgezogen und der Partner oder die Partnerin
verstorben sind. Auf der anderen Seite suchen
zahlreiche junge Familien verzweifelt eine größere
und doch für sie bezahlbareWohnung. Würden die
Senioren ihre Bleibe freimachen, so würde dieser
Überlegung zufolge Wohnraum frei – und zwar in
riesigem Ausmaß: Laut dem Bericht „Wohnen für
Ältere in Berlin“, den dieWestfälische Hochschule
Gelsenkirchen 2017 imAuftrag des Wohnungsun-
ternehmens Berlinovo vorlegte, könnten allein in
Berlin durch den Umzug älterer Menschen nicht
weniger als 200.000 Wohneinheiten ab 100 m
2
frei werden. Die Bereitschaft dazu, so wollten es
die Forscher herausgefunden haben, sei groß: Der
Studie zufolge würden 60%der befragten Haupt-
städter gern in einer kleineren Wohnung leben,
wobei sie sich durchschnittlich eine Reduktion der
Wohnfläche um 23m
2
wünschen.
LEG: Nur zwölf Tauschfälle
Doch die Realität sieht anders aus. Das musste
die LEG Immobilien erfahren, die Ende 2017
das Projekt „Wohnen für Generationen“ auf ih-
ren gesamten Wohnungsbestand in Nordrhein-
Westfalen ausdehnte. Das Angebot richtet sich
Christian Hunziker
freier Immobilienjournalist
Berlin
Berlins Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (l.) und
Gewobag-Vorstandsmitglied Snezana Michaelis (r.) mit einer Mieterin,
die über das Wohnungstauschportal eine neue Wohnung fand
2015 startete die Wiener Wohnen ihre Aktion 65Plus. Der damalige Wohnbaustadtrat
und heutige Wiener Oberbürgermeister Michael Ludwig informierte damals interessierte
Senioren über die Tauschmöglichkeit
Quelle: City-Press
Quelle: PID/Jobst
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