DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 7/2019 - page 67

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werden Dienstleistungen gegen Gebühr geboten,
wobei das Ausmaß unterschiedlich (limited, selec-
ted und full services) sein kann.
Neue Wohnkonzepte
Unterschiedlich ausgestaltete Konzepte wer-
den mit unterschiedlichen Begriffen belegt. Die
Konzepte und Begriffe stammen überwiegend
aus dem angelsächsischen Raum, sind aber nicht
einheitlich. Die Konzeptewerden auch bezeichnet
als Shared Living Space, Wohnen auf Zeit, Koope-
ratives Wohnen, Leben mit gemeinschaftlichen
Flächen (englisch: living with shared common
space), Space Sharing oder Temporäres Wohnen.
Während eine genaue begriffliche Abgrenzung
des temporären Wohnens aufgrund der Vielzahl
an Konzepten nicht möglich ist, kann rechtlich
zwischen wohnungswirtschaftlichen sowie ge-
werblichen, nicht wohnungswirtschaftlichen Kon-
zepten unterschieden werden. Als Kriterien hat
die Rechtsprechung den Lebensmittelpunkt, die
eigene Haushaltsführung sowie Serviceangebote
festgelegt. Wohnungswirtschaftliche Konzepte
umfassen möblierte oder teilmöblierte Einhei-
ten, die i.d.R. für sechs Monate Aufenthaltsdauer
nachgefragt werden und die ggf. Service durch
Kooperationspartner bieten. Gewerbliche, nicht
wohnungswirtschaftliche temporäreWohnformen
sind geprägt durch kurze Aufenthaltsdauern von
einigen Tagen oder Wochen und einemBeherber-
gungsvertrag, der in Richtung Hotelmarkt geht.
Je mehr klassische Hotelservices wie Zimmer-
pflege im Angebot enthalten sind, desto eher
fallen Wohnungen unter die Bestimmungen der
Musterbeherbergungsstättenverordnung. Bei
Bestandsimmobilien stellt sich weiter die Frage
einer Zweckentfremdung: In zahlreichen Städten
bestehen Verbote, Wohnraumzu anderen Zwecken
als zum Wohnen zu nutzen.
Neue Geschäftsmodelle
Die verschiedenen Konzepte des Wohnens spiegeln
sich in den verschiedenen Geschäftsmodellen der
Wohnungsvermieter wider. Diese unterscheiden
sich nach der Wohnungsgröße, denMietverträgen
und dem angebotenen Service.
Co-Living hat sich beiWohnimmobilien als Analogie
zum Co-Working im Bürobereich entwickelt, das
Freizeit- und Homeoffice-Angebote miteinander
verbindet. Co-Living umfasst individuellesWohnen
in Appartements, Gemeinschaftsleben in großen
Lounges, Wohnküchen und Sharing-Space.
Der Trend zu Co-Living überträgt die Communi-
ty-Philosophie auf das individuelle Wohnen. Es
bietet den Bewohnern die Möglichkeit, Teil einer
Community zu werden. Durch Gemeinschaftsflä-
chen und zahlreiche Community-Aktivitäten in
Co-Living-Häusern finden die Bewohner sozialen
Anschluss und können sich begegnen, vernetzen
und gegenseitig inspirieren. Die Mieter erwartet
eine effiziente Rundum-Lösung, die für sie neben
Flexibilität und Individualität auchBequemlichkeit
bereithält. Zum Service kann u. a. ein Putz- und
Waschservice gehören. Co-Living-Objekte können
auch außergewöhnlich luxuriöse Immobilien mit
kleinen, individuellen, zeitgenössisch eingerich-
teten Appartements und großen Gemeinschafts-
räumen sein.
„Serviced Apartments“ als ein Teilgebiet des Woh-
nens als Service nehmen eine Sandwichposition
zwischen dem traditionellenWohnungsmarkt und
klassischer Hotellerie ein. Es handelt sich umeine
hybride Formder Wohnnutzungmit entsprechend
heterogenen, aber insgesamt höheren Nutzungs-
entgelten. „Serviced Apartments“ sind komplett
möblierteWohneinheiten, welche kurz- und auch
längerfristig vermietet werden. Sie verfügen über
eine Küche und bieten hotelähnliche Dienstleis-
tungen. Der Servicelevel variiert je nach Konzept
APPARTEMENT MIT SERVICE
MIKROAPPARTEMENT
und Betriebstyp von „limited“ bis „full service“.
Gegenwärtig befindet sich der Großteil der „Ser-
viced Apartments“ in städtischer Umgebung und
beherbergt primär Langzeitnutzer.
Mikroappartements sind eine weitere Form. Diese
zumeist temporären Unterkünfte werden u. a. von
Pendlern oder Projektarbeitern oder Beratern in
– vorzugsweise – zentralen Lagen der Metropolen
gesucht. Die kleineren, oft möblierten, modern
designtenWohnungen können für einen festgeleg-
ten Zeitraum angemietet werden und sind quasi
nichts anderes als die altbewährten 1-Zimmer-
Appartements. Diese Wohnungen werden jedoch
zeitgemäß und vor allem mit technischen sowie
platzsparenden Einrichtungen ausgestattet.
Bewertung
Bei den mehr als 20 Mio. vermieteten Wohnein-
heiten in Deutschland stellt das Konzept „Woh-
nen als Service“ nur ein kleines Marktsegment
dar, was aber derzeit eine hohe Marktdynamik
aufweist. Wohnen als Service hat für die Nutzer
den Vorteil, dass es günstiger als ein Hotel ist und
auch bezüglich Gemütlichkeit Vorteile aufweist.
Als Hindernis für die weitere Expansion dieser
Geschäftsmodelle können sich neue staatliche
Regelungen gegen die Wohnungsknappheit er-
weisen, die die Umwandlung traditioneller Miet-
verträge in Kurzfrist-Mietverträge verhindern
sollen. Es ist ferner zu beachten, dass diese neuen
Konzepte sich nicht für jedes Marktsegment und
jeden Standort eignen.
Bei derWohnungswirtschaft werden daher die tra-
ditionellenModelleweiter imVordergrund stehen,
aberbeiNicht-BeachtungderTrendswerdenande-
re, neue Anbieter auftreten. Eine zentrale Aufgabe
für die Wohnungswirtschaft wird darin bestehen,
flexible Nutzungskonzepte und Gemeinschafts-
leben im eigenen Bestand zu ermöglichen.
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