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Die Forderinstrumente der Wohnbaupolitik seit
1907 umfassen die Beteiligung am Genossen-
schaftskapital, Gewährung zinsgünstiger Dar-
lehen, Restfinanzierungsdarlehen und, seit den
1960er Jahren, die Vergabe von stadtischem
Grund mit Baurecht. Dabei stellt die Stadt
gemeinnutzigen Wohnbautragern Bauland zu
einem jahrlichen, marktublichen Baurechtszins
zur Verfugung. Das Baurecht ist auf 60 Jah-
re angesetzt und kann zweimal um 15 Jahre
verlangert werden. Diese Formder Unterstutzung
ermoglicht es, auch qualitative Anforderungen
an Bauprojekte der Genossenschaften zu for-
mulieren. So verlangt die Stadt Zurich die Aus-
schreibung eines Architekturwettbewerbs und
ist stimmberechtigt im Beurteilungsgremium
vertreten. Zudem besteht die Möglichkeit, dass
die Stadt oder eine andere fördernde Einrichtung
für einkommensschwache Haushalte auf Antrag
das Eintrittskapital übernimmt und ihnen so die
Mitgliedschaft in einer Wohnbaugenossenschaft
ermöglicht.
Der durchschnittliche Mietpreis in der Großre-
gion Zurich im Jahr 2016 betrug 228 CHF/m
2
/
Jahr.1 Mietwohnungen privater und institutio-
neller Anleger kosteten ca. ein Drittel mehr als
Genossenschaftswohnungen. Mit diesen preis-
werten Angeboten wird der Immobilienmarkt
der Stadt beeinflusst. Der durch die Stadt und
die Wohnbaugenossenschaften geschaffene
Wohnraum erfullt auf einem durch einen starken
Nachfrageüberhang geprägten Markt eine sehr
wichtige Funktion. Wohnraumwird der Spekula-
tion entzogen und durch die geringeren Mietkos-
ten wirken die gemeinnutzigen Wohnbautrager
kostendampfend und sozial ausgleichend, indem
sie die soziale Heterogenität der Stadt stützen.
Sie ermoglichen es Haushalten mit kleinen und
mittleren Einkommen, in der Stadt wohnen blei-
ben zu konnen.
Die bis zu 30%gunstigerenMietpreise erklaren sich
aus dem Prinzip der Kostenmiete im gemeinnüt-
zigen Wohnmodell. Bei dieser Kostenberechnung
werden das eingesetzte Kapital (also Baukosten
und Landwert) verzinst, der laufende Unterhalts-
und Verwaltungsaufwand eingerechnet und
Ruckstellungen fur großere Renovierungen vor-
genommen. Nur bei wertvermehrenden Investiti-
onenwerdenMietzinse aufgeschlagen. Genossen-
schaftliche Wohnsiedlungen, die vor Jahrzehnten
gebaut wurden, können bei Ersatzneubauten mit
sehr niedrig angesetzten Bodenpreisen handeln.
Nur wenige der gemeinnützig errichteten Woh-
nungen in Zürich sind durch die offentliche Hand
direkt subventioniert. Von den rund 50.000Woh-
nungenwaren imJahr 2016 lediglich 14% subven-
tioniert.2 Die Subventionierung bedeutet, dass
diese Wohnungen im Vergleich zur Mehrheit der
sog. „freitragenden“Wohnungen gemeinnutziger
Wohnbautrager um ca. 25% gunstigere Mieten
aufweisen. Als Objektsubventionierung werden
die in den Wohnsiedlungen gemischt verteilten
Wohnungen durch Darlehen der öffentlichen Hand
vergunstigt und sind fur Haushaltemit einemEin-
kommenslimit reserviert. Diese Wohnungen sind
mit klaren Belegungs- und Einkommensregeln
belegt und erfordern regelmäßige Überprüfung
derselben. Da die meisten Wohnbaugenossen-
schaften Belegungsrichtlinien fur alle ihre Woh-
nungen festlegen, tragen sie deutlich zu einem
geringeren Wohnflachenkonsum bei. I.d.R. gilt:
ein Zimmer mehr als Personen imHaushalt leben.
Langfristig lebenswerte Städte
In der Schweiz existiert seit mehr als 100 Jahren
das Modell des gemeinnützigen Wohnungsbaus,
das Boden und Immobilien langfristig der Spe-
kulation entzieht und nach dem Prinzip der Kos-
tenmiete organisiert ist. In Zürich gehören rund
ein Viertel aller Wohnungen Genossenschaften
oder der Stadt. Die Mieten sind niedriger, weil sie
sich nicht nach dem freienMarkt richten, sondern
nach den Baukosten. Auch für Gewerbe gibt es
Angebote nach diesem Modell. Die bestehenden
und weiter geplanten gemeinnützigenWohnbau-
projekte besitzen vielfaltigen Innovationsgehalt
und setzen zukunftsorientiert nachhaltige Ziele
um. Sie leisten einenwichtigen Beitrag dazu, dass
eine Stadt langfristig lebenswert bleiben kann.
Blick ins innerstädtische Zürcher Rotachquartier, das
die Baugenossenschaft Rotach teilsaniert hat
Quelle beider Fotos: Juliet Haller, Amt für Städtebau Zürich
1
Bundesamt für Statistik, 2016.
2
Finanzdepartement Stadt Zürich, 2016.
MARKT UND MANAGEMENT