DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 7/2019 - page 53

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der Bevölkerung mit bezahlbarem Wohnraum ist
eine solche Aufgabe im Allgemeininteresse und
damit ein öffentlicher Zweck. Außerdemgilt i.d.R.
der Subsidiaritätsgrundsatz. Dieser besagt, dass
der öffentliche Zweck nicht ebenso gut und wirt­
schaftlich durch einen anderen (privaten) Anbie­
ter erfüllt werden kann.
1
Auch dies unterstützt die These, dass eine Gewinn­
maximierung des kommunalen Wohnungsunter­
nehmens nicht gefordert werden kann.
An diesem Maßstab muss sich das Handeln eines
ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters
des kommunalen Wohnungsunternehmens aus­
richten. Konkret müssen danachMieterhöhungen
nicht zwingend ammaximal Zulässigen orientiert
werden, sondern können auch am unteren Ende
einer angemessenen Bandbreite ausgerichtet
werden bzw. unter Umständen auch ganz unter­
bleiben.
Der weitere Maßstab, der sich auch aus diesem
Gesellschaftszweck ableitet, ist die Verpflichtung,
breite Schichten der Bevölkerung mit bezahlba-
rem Wohnraum zu versorgen. Insoweit spielen
auch die Einkommensverhältnisse der Mieter des
kommunalen Wohnungsunternehmens, wie auch
die bereits erreichteMiete imUnternehmen, sowie
die örtlichen Verhältnisse eine Rolle.
Nach allgemeinen wissenschaftlichen Unter­
suchungen ist eine Bezahlbarkeit des Wohnens
dann nicht mehr gegeben, wenn Haushalte mehr
als 30% ihres Nettohaushaltseinkommens für die
Kosten des Wohnens ausgeben müssen.
2
Liegen
imUnternehmen entsprechende Untersuchungen
vor, wie sich die Einkommenssituation der Mieter
diesbezüglich verhält, kann es bereits im Sinne
des Satzungszwecks erforderlich sein, für einen
bestimmten Zeitraum oder bei Erreichen einer
bestimmten Miete auf weitere Mieterhöhungen
zu verzichten.
Grenzen der Gewinnlosigkeit
Trotz der Berücksichtigung des konkreten Gesell­
schaftszwecks, der auch eine öffentliche Aufgabe
beinhaltet, und der landesrechtlichen Vorschriften
bestehen auch Grenzen für eine Gewinnlosigkeit,
die nicht nur für Unternehmen gelten, die mehr­
heitlich imEigentumder öffentlichenHand stehen,
sondern auch für die öffentliche Hand selbst, so­
weit sie sich wirtschaftlich betätigt.
Sowird einerseits auch in entsprechenden landes­
rechtlichen Gemeindeordnungen für das gesamte
Unternehmen zumindest einGewinn gefordert, der
neben der für die technische und wirtschaftliche
Fortentwicklung des Unternehmens notwendigen
Rücklagen eine marktübliche oder angemessene
Verzinsung des Eigenkapitals erwirtschaftet. Auf­
grund der jüngst ergangenen Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs (BFH)
3
ist auch auf eine kosten­
deckende Miete abzustellen.
Ähnliche Urteile sind in der Vergangenheit auch
schon für Genossenschaften ergangen, die nach
ihrem Geschäftszweck und unter Berücksichti­
gung des Förderzwecks gegenüber den Mitglie­
dern keine Gewinnerzielungsabsicht verfolgen.
Ihnenwurde imRahmen der BFH-Rechtsprechung
das Recht zugestanden, die Wohnungen an Mit­
glieder günstiger zu vermieten als an Nichtmit­
glieder. Allerdings sah der BFH auch bei Genossen­
schaften die Grenze dort, wo der Geschäftsleiter
der Genossenschaft die Leistungsentgelte der
Mitglieder noch nach dem Kostendeckungsprin­
zip bemessen hat.
4
In diesem Zusammenhang stellt sich allerdings
die Frage, ob dieses Kostendeckungsprinzip
objektbezogen ausgelegt werden muss oder
unternehmensbezogen ausgelegt werden kann.
Denn auch bei Genossenschaften ist es zwi­
schenzeitlich durchaus üblich, im Rahmen einer
Mischkalkulation über die Wohnungsbestände
eine Unternehmensmiete bzw. differenzierte
Unternehmensmieten nach bestimmten Be­
standsarten zu erheben. Wenn man dies auf die
kommunalen Wohnungsunternehmen transfe­
riert, müsste zumindest eine Kostendeckung, je
nach Gemeindeordnung ggf. auch eine bestimmte
Mindestverzinsung des Eigenkapitals, über das
gesamte Unternehmen erzielt werden. Soweit
dies sichergestellt ist, müssten die Grundsätze
der BFH-Rechtsprechung noch erfüllt sein. Dies
schließt eine kurzfristige Verlustsituation imUn­
ternehmen selbstverständlich nicht aus, so sie
durch z. B. außergewöhnliche Aufwendungen, wie
unerwartete Instandhaltungs- oder Instandset­
zungskosten verursacht ist. Grundsätzlichmüss­
te aber im Rahmen der Unternehmensplanung
sichergestellt sein, dass über das gesamte Un­
ternehmen im jeweiligen Veranlagungszeitraum
eine – wenn auch maßvolle – Gewinnerzielung
möglich ist.
5
Fazit
Im Fall einer Miethöhebeschränkung bei einem
kommunalen Wohnungsunternehmen aufgrund
einer Weisung des Gesellschafters – oder ähn­
lich gelagerter Fallgestaltung – könnte auf den
ersten Blick das Vorliegen einer verdeckten Ge­
winnausschüttung vermutet werden. Allerdings
kommt es letztlich darauf an, ob das Merkmal der
Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis
tatsächlich zu bejahen ist oder ob nicht Beschrän­
kungen des Gesellschaftszwecks maßgeblich
sein können. Insoweit kommt es im Einzelfall
auf den konkreten satzungsmäßigen Unterneh­
menszweck und landesrechtliche Vorgaben an
und darauf, ob eine am Kostendeckungsprinzip
orientierte Miete – verbunden mit einer maßvol­
len Verzinsung des Eigenkapitals – einer solchen
Wertung entgegensteht.
1
vgl. z.B. §103 GO Baden-Württemberg, Art. 92 GO Bayern.
2
Prognos Gutachten „Wohnraumbedarf in Deutschland und
den regionalen Wohnungsmärkten“, 2016.
3
vgl. BFH-Urteile vom 27.7.2016, I R 8/15, BStBl. 2017 II
S. 214, I R 12/15, BStBl. 2017 II S. 217, I R 71/15, BFH/
NV 2017 S. 60 Nr. 1.
4
vgl. BFH vom 11.10.1998, I R 208/85.
5
vgl. hierzu auch BFH-Urteil vom 17.11.2004, I R 56/03,
BFHE 208, 519.
Vielerorts klagen Bürger über hohe Mieten. Manche Kommunen fordern ihre Wohnungsunternehmen daher zu
Miethöhebeschränkungen auf. Doch wann stellen diese steuerlich eine verdeckte Gewinnausschüttung dar?
Quelle: stadtratte/fotolia.com
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