MARKT UND MANAGEMENT
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7|2019
Neue Wohnkonzepte und Geschäftsmodelle
Wohnen als Service
Zwischen die traditionellen Geschäftsmodelle der Wohnungswirtschaft, insbesondere die langfristige feste
Vermietung von Wohnungen, und des Hotellerie- und Gaststättengewerbes treten zunehmend Mischformen
wie Service- oder temporäres Wohnens. Auch die Sphären des Arbeitens, des Wohnens und der Freizeit
vermischen sich immer stärker. Die klassischen Angebote von Wohnraumvermietern werden ergänzt durch
solche aus den Bereichen gemeinschaftliches oder integratives Wohnen. Wie ist darauf zu reagieren?
Ausgelöst durch Megatrends wie Digitalisierung
sowie gesellschaftliche Veränderungen wandeln
sich auch die Ansprüche der Mieter an das Wohnen.
Die traditionellen Konzepte und die darauf aufbau-
enden Geschäftsmodelle der Wohnungswirtschaft
geraten somit unter Druck.
Das traditionelle Geschäftsmodell derWohnungs-
vermietung lässt sich beschreiben als die Vermie-
tung einer Wohnung, wobei keine Bedingungen
für deren Größe existieren. Die Vermietung erfolgt
langfristig, eine Begrenzung der Mietdauer gibt es
nur imAusnahmefall. Darüberhinausgehend wer-
den nur wenige Dienstleistungen vom Vermieter
organisiert, z. B. die Treppenhausreinigung.
Es gibt im Wohnraummietrecht gesetzliche Re-
gelungen, von denen nicht zulasten des Mieters
abgewichen werden darf. Im Mietrecht stehen
die dauerhafte Nutzung von Wohnraum und da-
mit der Mieterschutz in Gestalt von Kündigungs-
und Räumungsfristen sowie die Sozialklausel im
Vordergrund.
Neue Trends – neue Herausforderungen
Der demografischeWandel, die Individualisierung
und die Flexibilisierung der Arbeitswelt führen zu
sichwandelnden Nachfragestrukturen. Die zuneh-
mende Flexibilität am Arbeitsplatz nicht zuletzt
aufgrund der Digitalisierung wirkt sich positiv
auf dem Markt für zeitlich befristete Wohnkon-
zepte aus. Viele Menschen absolvieren während
des Studiums ein Praktikum oder suchen bei ei-
Dr. Günter Vornholz
Prof. für Immobilienökonomie
EBZ Business School
Bochum
nem projektbezogenen Job eine vorübergehende
Wohnlösung. Diese sog. Jobnomaden scheuen die
teure und zeitaufwendige Suche und Einrichtung
einer eigenen Wohnung. Ausgangspunkt für die
neuen Geschäftsmodelle sind ferner andere Le-
benseinstellungen undWerthaltungen vieler jun-
ger Menschen sowie die weiter voranschreitende
Ausdifferenzierung der Lebensstile und -modelle.
Viele Entwicklungen und Trends werden dabei in
Nischen stattfinden und verbleiben. D. h., es wird
nicht den „einen Trend“ geben, wieMenschen zu-
künftig wohnen und zusammenleben wollen.
Neue Wohnkonzepte und Geschäftsmodelle
Wohnen als Service kann – orientiert an der unten
stehenden Abbildung – als Wohnen in kleineren
Wohnungen mit einer zeitlich beschränkten Nut-
zung und dem Angebot von zusätzlichen Dienst-
leistungen beschriebenwerden. Kriteriumbei die-
sen Konzepten sind von der Größe her eher kleine
Einheiten. Die einzelnen Wohnungen sind zwar
kleinteilig, dafür aber mit hoher Flächeneffizienz
geplant. Sie werden zumeist möbliert angeboten.
Gemeinsam ist ihnen, dass sie die erforderliche
Flexibilität bieten, mit der ein Kompromiss eines
geringeren Bedarfs an Fläche und der Nachfrage
nach verbesserter Ausstattung und modernem
Design leichter geschlossen werden kann.
Hinzu kommt ein Wandel von langjährigen zu
kurzfristigeren Mietverträgen. Wohnraum wird
nur für einen befristeten Zeitraum angeboten,
wobei aber unterschiedlich lang vermietet wird.
Nutzer können kurzfristig und zeitlich begrenzt
eine Wohnung anmieten bzw. buchen. Eine Ab-
rechnung in Form von „All-inclusive-Mieten“ ist
üblich, unabhängig davon, ob pro Monat oder pro
Nacht abgerechnet wird.
DieWohnungenwerdenmit verschiedenen Graden
von Service bzw. Dienstleistungen vermietet. Bei
den vorherrschenden heterogenen Servicelevels
Quelle der Abbildungen: eigene Darstellung
WOHNEN ALS SERVICE – BANDBREITE
Zeit
Größe der
Wohnung
Service
langfristig
wenig
viel
groß
klein
kurzfristig