DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 7/2019 - page 64

MARKT UND MANAGEMENT
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selt – bei einemBestand von134.000Wohnungen.
In den letzten Monaten kam laut LEG kein einziger
Umzug im Rahmen der Aktion mehr dazu.
Bei der Zielgruppe sei derWunsch nach einemWoh-
nungswechsel „bisher sehr überschaubar“, bilan-
ziert LEG-Pressesprecherin Judith-Maria Gillies.
Allerdings habe das Unternehmen festgestellt,
dass sich derWunsch nach einemWohnungstausch
innerhalb des Quartiers nicht unbedingt am Alter
der Mieter festmachen lasse. „Daher prüfen wir
jetzt eine Ausdehnung des Konzepts auf weitere
Zielgruppen und Lebenssituationen der Mieter“,
sagt Gillies. Über erste Ergebnisse werde die LEG
voraussichtlich Ende dieses Jahres berichten.
Berlin: Mit Spannung erwartet
Keine Altersgrenze gibt es beim Berliner Woh-
nungstauschportal
das im September 2018 startete. Es greift erst-
mals in Deutschland über ein einzelnes Unterneh-
men hinaus: Beteiligt sind alle sechs landeseige-
nenWohnungsunternehmenmit ihren zusammen
gut 300.000 Wohnungen. Damit führt das Portal
die bereits 2012 eingeführten Tauschbörsen
weiter, die zunächst nur innerhalb der einzelnen
Unternehmen bestanden.
Doch die Resonanz ist ernüchternd: Bis Ende Fe-
bruar 2019 wurden in 17 Fällen die Wohnungen
getauscht. „Die Erwartungen an ein Tauschportal
müssen realistisch sein“, sagt dazu Dr. David Eber-
hart, Besonderer Vertreter des Vorstands des BBU
Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsun-
ternehmen e. V., der das Portal koordiniert. „Wir
müsseneinfach feststellen: Solange sichMieter ihre
Wohnung leisten können, haben sie keine Motiva-
tion, umzuziehen. Denn ein Umzug in eine kleinere
Wohnungbedeutet immer, sichvonvielemtrennen
zu müssen, und ist natürlich auch mit erheblichem
Aufwandverbunden.“HinzukommteinUngleichge-
wicht bei den Anfragen: Während bis Ende Februar
407 Mieter über das Portal eine größere Wohnung
suchten, äußerten nur 103 Mieter ihr Interesse an
einer Verkleinerung der Wohnfläche.
Allerdings hat das Berliner Modell eine Besonder-
heit: Es handelt sich um einen konkreten Tausch,
bei demsich zwei Mieter finden und dann amselben
Tag den Umzug von der einen in die andere Woh-
nung bewerkstelligen müssen. Das Portal ermög-
licht die Kontaktanbahnung; den Tausch müssen
die Mieter dann aber in eigener Regie realisieren.
Dabei profitieren sie davon, dass dieNettokaltmiete
beider Wohnungen unverändert bleibt.
Warum dieses komplizierte Vorgehen? „Bei sechs
landeseigenen Unternehmen und über 300.000
Wohnungen ist es nicht möglich, einen unterneh-
mensübergreifenden Pool zu bilden, in dem be-
wohnte gegen unbewohnteWohnungen getauscht
werden können“, antwortet Eberhart. „Dafürmüss-
te eine parallele, unternehmensübergreifende Ver-
mietungsstruktur aufgebaut werden, was schier
unmöglich ist.“ Trotzdemsei dasWohnungstausch-
portal „ein sinnvolles Instrument“. Umaber die Pro-
bleme auf demWohnungsmarkt zu lösen, „müssen
mehr Wohnungen gebaut werden“, betont er.
Auch in Wien klappt’s nicht
Ein Trost für die Berliner: In der österreichischen
Hauptstadt ist die Resonanz ähnlich gering. Dort
startete Anfang 2015 die Wiener Wohnen – mit
220.000 Einheiten das größte kommunale Woh-
nungsunternehmen Europas – die Aktion 65Plus.
Dieses Angebot gilt für alle Hauptmieter ab 65
Jahren, die seit zehn oder mehr Jahren in einer
Gemeindewohnung von mindestens 65 m
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Größe
wohnen. Ziehen sie in eine Wohnung, die mindes-
tens ein Zimmer weniger hat, werden siemit einem
35%igen Abschlag auf den jeweiligen Richtwert-
zins belohnt. Obwohl etwa 80.000Mieter derWie-
ner Wohnen das 65. Lebensjahr hinter sich haben,
machten seit Beginn der Aktion gerade mal 136
vom Angebot Gebrauch; 2018 waren es lediglich
21. „Für mich unterstreichen die Zahlen vor allem
eines: nämlich die hohe Zufriedenheit unserer älte-
ren Bewohnermit ihrer jetzigenWohnsituation im
Gemeindebau“, sagt dazuMarkus Leitgeb, Presse-
sprecher der Wiener Wohnen.
Köln: Geringe Umzugsbereitschaft
Dass ältere Menschen nur selten bereit sind, ihre
gewohnteWohnung aufzugeben, beobachtet auch
Werner Roche, Vorstand des Erbbauvereins Köln eG.
Die Genossenschaft mit rund 2.300 Wohnungen
bietet seit über zehn Jahren den „Senioren-Woh-
nungstausch 65“ an. Nur zehn Mal machten Mit-
glieder in dieser Zeit davon Gebrauch. Roche führt
das darauf zurück, „dass sich dieMenschen in ihrem
Quartier zuhause fühlen“. Viele ältere Mitglieder
kämen auch in Häusern ohne Aufzug zurecht. „Ich
höre immerwieder: Fürmich ist das Treppensteigen
ein gutes Training“, berichtet Roche.
Die geringe Fallzahl ist umso bemerkenswerter,
weil der Erbbauverein ein sehr attraktives Paket
geschnürt hat. Dass die umziehenden Senioren für
die neue Wohnung 2 €/m
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weniger zahlen, als die
Genossenschaft normalerweise bei Neuvermietung
verlangt, ist nur ein Element. Der Erbbauverein
beteiligt sich auch finanziell am Umzug: 1.500 €
gibt es bei Inanspruchnahme eines Umzugsunter-
nehmens, 1.000 € bei einemUmzug in Eigenregie.
Außerdem ist die neue Wohnung stets fertig tape-
ziert und gestrichen. Und die alte Wohnung muss
nur besenrein übergeben werden.
Klar ist auf jeden Fall: Ein finanzieller Anreiz reicht
nicht aus, um ältere Mieter zum Umzug zu bewe-
gen. Das dürfte auch die StadtMarbach feststellen,
die Anfang dieses Jahres eine Umzugsprämie von
2.500 € einführte für alle über 60-jährigenMarba-
cher, die ihreWohnung für eine Familie freimachen.
„Erheblicher technischer Aufwand“
Der Aufwand für ein Wohnungstauschportal ist
im Übrigen nicht gering. Die LEG setzt bei der
Umsetzung auf interne Kräfte, Beschäftigte aus
unterschiedlichen Bereichen arbeiten zusammen.
Komplizierter ist eswegen des unternehmensüber-
greifenden Ansatzes in Berlin. Der Aufbau eines
solchen Portals sei „mit erheblichem technischem
Aufwand verbunden“, sagt BBU-Vertreter Eberhart.
„Dazu gehören die Programmierung der Internet-
seite, Kommunikationsmaßnahmen zur Bekannt-
machung und fortlaufendenBewerbung des Portals
sowie die Programmierung der Schnittstellen zu
den Systemen der beteiligten Unternehmen.“
Auch wenn Eberhart keine finanzielle Summe für
den Aufbau und Unterhalt des Portals nennt, so
liegt es doch auf der Hand, dass zwischenAufwand
und Ertrag ein gewissesMissverhältnis besteht. Auf
jeden Fall hat Eberhart eine Empfehlung, die man
in Hamburg-Altona wohl nicht gerne hören wird:
„Andere Unternehmen und Städte sollten sich vor
dem Hintergrund der bisherigen Erfahrungen gut
überlegen, ob die Einführung eines Wohnungs-
tauschportals wirklich sinnvoll ist.“
Beim Start des Portals im September 2018 gaben sich Stadtentwicklungssenatorin Lompscher (3. v. l.)
sowie die Vorstände und Geschäftsführer der landeseigenen Wohnungsunternehmen optimistisch
Quelle: BBU, Foto: Tina Merkau
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