DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 7/2019 - page 18

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7|2019
Strategische Projektentwicklung im Neubau
Idee sucht Grundstück sucht Konzept
Die Wohnungswirtschaft steht in Deutschland vor vielfältigen Herausforderungen. In den Wachstums-
regionen und Ballungsgebieten gilt es, ein enormes Neubauvolumen anzuschieben bzw. umzusetzen. Das
schließt die Umlandgemeinden als Entlastungsräume ausdrücklich mit ein. In Schrumpfungsregionen,
insbesondere in den ländlichen Räumen, stehen vielmehr Rückbau und Konzentration auf Innenbereiche
der Städte im Vordergrund. Aber auch dort wird maßvoller und qualitativ hochwertiger Neubau gebraucht.
Die Wohnungswirtschaft muss sich aus unter-
schiedlichemAntrieb heraus mit der strategischen
Projektentwicklung befassen. Zwei Startpunkte
für eine Projektentwicklung sind zweifelsohne
Pflichtprogramm. Wir suchen einerseits Grundstü-
cke für denWohnungsneubau. Dabei hat einWoh-
nungsunternehmen i.d.R. eine ungefähre Vorstel-
lung davon, was es bauen möchte. Gerade in den
Ballungsregionen stellt dieser Fall die allergröß-
te Herausforderung dar. In den ballungsfernen
Städten wartet nicht selten ein innerstädtisches
Grundstück auf seine Nutzung. Hier ist häufig die
kommunale Gesellschaft als Projektentwickler
gefragt, eine Nutzung herbeizuführen.
Der GdW Bundesverband deutscher Wohnungs-
und Immobilienunternehmen e. V. versucht ge-
meinsam mit seinen Regionalverbänden in der
interessenpolitischen Arbeit die Weichen auf
„Bauen“ zu stellen, damit sich dieWohnungswirt-
schaft wieder stärker als in der Vergangenheit mit
der Projektentwicklung befassen kann. Zumindest
für einen Teilbereich stellt der GdWbereits Lösun-
gen zur Verfügung.
Rahmenvereinbarung
Die „Rahmenvereinbarung serielles und modula-
res Bauen“ ist nun rund ein Jahr alt. Neun Bieter
und Bietergemeinschaften hatten im Mai 2018
den Zuschlag erhalten und sind durch die Rahmen-
vereinbarung Vertragspartner des GdW gewor-
den. Grundlage der Rahmenvereinbarung war die
THEMA DES MONATS
NEUBAU UND SANIERUNG
Aufforderung der Baukostensenkungskommission
an die Branche, das modulare und serielle Bauen
voranzubringen.
Die Vertragspartner bieten Planungs- und Bau-
leistungen für die schlüsselfertige Errichtung von
Mehrfamilienhäusern. Die Angebote definieren
Rahmendaten und Preise für ein Mustergebäude.
Die konkrete Beauftragung eines Bauvorhabens
wirdmittels Einzelauftrag auf Grundlage des Rah-
menvertrags durch das Wohnungsunternehmen
selbst erfolgen. Dies ist demUmstand geschuldet,
dass nicht alle realen Bausituationen kalkulierbar
sind. Insofern ist der Rahmenvertrag nahezu voll-
ständig gebäudebezogen. Grundstücksfragen sind
beispielweise einzelvertraglich zu regeln.
Imhessischen Idstein (Taunus) wurde von Dezem-
ber 2018 bis April 2019 der erste Wohnungsbau
auf Grundlage der Rahmenvereinbarung erstellt.
Die Kommunale Wohnungsbau GmbH Rheingau-
Taunus (KWB) errichtete in einemWohnquartier in
Idstein imZuge der Nachverdichtung neunWohn-
einheiten, weitere zehn Wohneinheiten sind an
anderer Stelle in Planung (siehe DW 6/2019, S.
22 ff.). Die Projekte sind Teil einer größer ange-
legten Wohnraumoffensive in der Region, bei der
die KWB insgesamt fast 200 neue Sozialwohnun-
gen schafft. Derzeit befinden sich etwa zehn ganz
unterschiedliche Projekte in konkreter Realisie-
rungsabsicht.
„Haute Couture” vom Band
Zielsetzung der Rahmenvereinbarung war es,
qualitätsvollen, bezahlbaren und schnellen Woh-
nungsbau und dessen Planung, zumindest für ge-
eignete Lagen, zu ermöglichen, bei dem die bei
öffentlichen Auftraggebern erforderliche euro-
paweite Ausschreibung schon vorweggenommen
war und für den fünf Jahre Preisstabilität garan-
tiert ist. Langfristig, auch im Zusammenhang mit
der Digitalisierung von Planung und Bau, wird sich
der modulare und serielle Wohnungsbau als Be-
standteil des Wohnbausektors weiter etablieren,
auch im konventionellen Wohnungsbau.
Die Rahmenvereinbarung folgt eher der Leitlinie
„Idee sucht Grundstück“. Leider zeigen viele Rück-
meldungen aus denWohnungsunternehmen, dass
es aber an Grundstücken fehlt. Der GdW tritt daher
insbesondere dafür ein, mehr Bauland auszuwei-
sen und innerstädtische Brachflächen nutzbar zu
machen.
Baulandmobilisierung
Vor dem Hintergrund, dass 140.000 Mietwoh-
nungen pro Jahr gebaut werden müssten, davon
80.000 Sozialwohnungen undweitere 60.000 im
bezahlbaren Segment, wird dringend Wohnbau-
land benötigt. Baulandmobilisierung ist deshalb
zum prioritären Thema geworden, um Grund-
stückspreise zu dämpfen und damit die Grund-
lage für bezahlbaren Wohnungsbau zu tragbaren
Kosten zu schaffen.
Um dieses Ziel zu erreichen, gibt es eine Vielzahl
an Instrumenten. Neben planungsrechtlichenWe-
gen, einer verstärkten Innenentwicklung, indem
der Bestand besser ausgenutzt wird, und einer
Stärkung des ländlichen Raumes zur Dämpfung
des Nachfragedrucks auf die Metropolregionen,
stellt die Vergabe von Grundstücken auf Grund-
lage von sozial nachhaltigen Konzepten statt nach
Höchstpreis eine Lösung dar. Grundprinzip der
Konzeptvergabe ist es, dass nicht diejenigen ein
Grundstück bekommen, die ammeisten bezahlen,
sondern diejenigen, die das beste Nutzungskon-
zept vorlegen und umsetzen können.
Der Grundstückspreis ist ein beachtlicher Kosten-
faktor beimBau von bezahlbarenWohnungen. Bei
WP/StB Ingeborg Esser
Hauptgeschäftsführerin
GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und
Immobilienunternehmen e. V.
Berlin
1...,8,9,10,11,12,13,14,15,16,17 19,20,21,22,23,24,25,26,27,28,...84
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