DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 7/2019 - page 12

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schutz – mit dem Titel würdigt die internationa-
le Kulturorganisation die Errungenschaften des
damaligen großflächigen, menschenwürdigen
Bauens als Antwort auf massive Bevölkerungs-
zuwächse in Berlin: Raus aus dem Mief der Hin-
terhöfe, hin zu Licht, Luft und Sonne für alle. In
der Siemensstadt wirkte Gropius in den späten
1920ern neben Koryphäen wie Hans Scharoun,
Otto Bartning und Hugo Häring. Als prägend er-
wies sich in diesem Ensemble vor allem Gropius‘
Idee, mit kleinen Ladenflächen statt Wohnungen
die lichttechnisch ungünstigen Ecksituationen in
Blockbauten zu vermeiden. Bundesweit kopier-
STÄDTEBAU UND STADTENTWICKLUNG
ten zahlreiche Bauherren diese Lösung nach dem
Zweiten Weltkrieg.
Hunderte Kilometer in Richtung Südwesten ent-
fernt hat Gropius in Karlsruhe kurz nach seiner Zeit
als Bauhaus-Direktor maßgeblich an Planung und
Bau der sog. Dammerstocksiedlung mitgewirkt.
Auch dort ermöglichte er ideale Lichtverhältnisse
in den Wohnungen, indem er auf Zeilenbau statt
Blockrandbebauung setzte; als international weg-
weisend gilt das Ensemble darüber hinaus wegen
des konsequent auf Funktionalität und Spar-
samkeit ausgerichteten Bauens. Ein Großteil der
Siedlung wird heute von der Baugenossenschaft
Hardtwaldsiedlung Karlsruhe eG verwaltet, ein
Teil gehört darüber hinaus dem maßgeblichen
kommunalen Wohnungsanbieter der Stadt, der
Volkswohnung GmbH.
Unterschiedliche Herausforderungen
Während die Nachfrage in angespannten Woh-
nungsmärkten wie Berlin oder auch Karlsruhe so
ist, dass jedeWohnung zu rentablen PreisenMieter
findet, stellen sich im Schatten von Ballungsräu-
men andere Herausforderungen. Angesichts des
jahrelangen Schrumpfens von Gera beispielswei-
se, verbunden mit einem massiven Rückbau von
Bei den Bauhaus-Bauten in der Gerarer Brehmstraße (l.) sorgt die terrassenartige Anlage am
Hang – verstärkt durch Fensterlösungen über Eck – für optimale Lichtverhältnisse. Die Kombination
aufgelockerter, durchgrünter Bauweisen und das einheitliche Erscheinungsbild – wie in der Laasener
Straße in Gerar (r.) – ist kennzeichnend für die Bauten der Bauhauszeit
Quelle: „Glück Auf“ Gera
1929 erhielten der Architekt Alexander Klein und der Garten-
architekt Harry Maasz von der damals existierenden gemein-
nützigen Siedlungsgesellschaft des Landkreises Merseburg
den Auftrag zum Bau einer Wohnsiedlung auf einem Gelände
am Bahn-Haltepunkt Dürrenberg und damit in der Nähe der
expandierenden Leuna-Werke. Die Architekten gehörten zu den
fortschrittlichsten und bekanntesten ihrer Zeit. Sie planten die
Siedlung als Gartenstadt und versuchten, für verschiedene Fami-
liensituationen und Haushaltsbudgets Wohnungen zu errichten,
die den neuesten Erkenntnissen der Wissenschaft und Technik
entsprachen. Dabei musste mit Material, Wohnfläche und Bauzeit
gespart werden. In nur zwei Jahren wurden deshalb ca. 500
Wohnungen in einem Schüttbetonverfahren der Berliner Firma
Sommerfeld errichtet.
Alle Wohnungen erhielten Arbeitsküchen und Bäder mit einge-
bauten Schränken, um den Platz in den ohnehin nicht großen
Räumen optimal auszunutzen. Die Wohnzimmer mit Terrassen
und Balkonen sind immer auf der besonnten Gebäudeseite zu
finden, die Schlafräume dementsprechend auf der anderen.
Außerdem waren alle Wohnungen von Anfang an zentral beheizt
und an eine Warmwasserversorgung angeschlossen. Das bedeute-
te im Vergleich zu vorhandenen städtischen Wohnbedingungen
der 1920er Jahre einen enormen Fortschritt.
Aus zeitgenössischen Presseberichten und Erzählungen älterer
Bewohner ist zu erfahren, dass 1930 in der Lützener Straße sogar
Musterwohnungen eingerichtet waren, um das geplante Konzept
der Architekten den Dürrenbergern vorzustellen.
DIE „ALTE SIEDLUNG“ IN BAD DÜRRENBERG
Die Museums­
wohnung
besticht mit
Haushaltsgerä-
ten und Möbeln
aus der dama-
ligen Zeit – was
vor allem bei
Schulklassen
gut ankommt
Quelle: LEUWO
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