DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 6/2019 - page 41

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dabei, vorhandene Lösungen (auch von Prop-
Techs) zu implementieren und für ihren Bereich
zu optimieren. In der Phase der Pioniere haben
diese Unternehmen eine beobachtende Rolle, um
Zeitpunkt und Schwerpunkt der eigenen Digitali-
sierungsstrategie festlegen zu können.
Die Unternehmen mit geringer Größe und gerin-
gem Druck bzw. Motivation warten als Nutzer in
dieser Phase zum einen darauf, dass die Digitali-
sierung durch marktgängige und kostengünstige
Produkte einfacher umsetzbar ist. Zum anderen
haben sie den „Point of no return“ im Blick, ab
dem diese Unternehmen ohne Digitalisierung
sowohl in der Vermietung als auch bei der Per-
sonalgewinnung nicht mehr wettbewerbsfähig
sein werden. Ein Unternehmen kann auch Pio-
nier, Optimierer und Nutzer in einem sein, wenn
die Aufgaben im Lebenszyklus einer Immobilie
im Unternehmen ungleich verteilt sind. Häufig
anzutreffen ist ein großer Bestandshalter (Pio-
nier in der Lebenszyklusphase Bewirtschaftung),
mittelgroßer Bauträger (Optimierer in der Le-
benszyklusphase Erstellung) und nur eine kleine
bzw. keine Verwertungsabteilung (Nutzer in der
Lebenszyklusphase Verwertung). Jemehr sich die
kleinen Unternehmen dem „Point of no return“
nähern, desto schneller werden sie vor dem Di-
lemma stehen, dass sie sich die dann notwendige
Digitalisierung unter Umständen personell und/
oder finanziell „nicht leisten können“. Hier werden
dann Zusammenarbeit oder Zusammenschluss von
Unternehmen innerhalb der Branche der richtige
Ausweg sein.
Wie die Hierarchieebene in der Digitalisierung ver-
ortet ist, wird i.d.R. größenabhängig sein. In der
GK I werden die Unternehmensstrategie auf der
Geschäftsführungsebene, die Umsetzung (Taktik)
auf der Abteilungsebene und die Durchführung
(operativ) auf der Team- bzw. Mitarbeiterebene
liegen. In der GK II verantwortet i.d.R. die Ge-
schäftsführung die strategisch/taktische Ebene,
wobei die Verantwortung der taktisch/opera-
tiven Ebene auf Abteilungs- bzw. Mitarbeiter­
ebene erfolgt. In der GK III sind alle Ebenen bei
der Geschäftsführung verankert. Mit geringerer
Mitarbeiteranzahl nimmt auch die Möglichkeit
ab, internes Fachwissen zu speziellen Themen
wie Digitalisierung aufzubauen. Dies kann u. a.
durch Verbandsmitgliedschaften, Beauftragung
spezieller Berater und Kooperationen auf Unter-
nehmensebene ausgeglichen werden.
Beispiel aus der Größenklasse II
Die Hilfswerk-Siedlung GmbH, als Unternehmen
der GK II mit rd. 7.500 Wohnungen, sieht sich als
Optimierer und versucht eine Unternehmenskul-
tur und entsprechende Organisation zu schaffen,
in der sich ein digitalisierungsfreundliches Klima
entwickeln kann. Nach Auffassung der Geschäfts-
führung gibt es bereits genügend offene ERP-
Systeme undweitere gute Lösungsmöglichkeiten,
um für die Pflichtaufgabe der Optimierung der
Prozesse und Unternehmensabläufe eine A-Note
von mindestens sehr gut zu erreichen. Nach rund
2-jähriger Vorbereitung hat die Einführungsphase
der Digitalisierung imJahr 2018 begonnen. Neben
der Einführung eines Workflow-orientierten und
offenen ERP-Systems wurden zwei Stellen, jeweils
eine für digitale Kommunikation und digitale In-
novation, geschaffen. Neben der Entwicklung
einer „digitalen Kommunikation“ werden hier
unterstützend Imagefilme und Erklärvideos für
digitale Prozesse entwickelt und digitale Innova-
tionen (z.B. Zugangssysteme, HR-Tools) imple-
mentiert. In der „Pflicht“ werden zurzeit u.a. HR-
Tools, digitale Fahrtenbücher, Projektportale und
die mobile Verkehrssicherung genutzt sowie die
digitale Mieterakte und mobile Wohnungsüber-
gabe in Kürze eingeführt. In der „Kür“ werden die
Quis-Portfolioanalyse, digitaleWaschküchen, HR-
App für Mitarbeitende, digitale Berichtshefte für
Auszubildende und Skype for Business genutzt. In
Vorbereitung für die „Kür“ stehen u. a. dieMieter-,
Interessenten-, sowie Gremien-App und die Nut-
zung von E-Learning und Erklärvideos für digitale
Prozesse in den nächsten Monaten an.
GRÖSSENKLASSEN DER DIGITALISIERUNG
5%
GF
GF
GF
AL
AL
TL
>12.000
WE
>2.000
2.000 - 12.000
20%
75%
Weitere Faktoren
– Größe (Manpower)
– Druck (Wettbewerb)
– Innere Motivation
Make
Zeit
or
Bewirtschaftung
NBS
Buy
Sicherheit
Unsicherheit
Pioniere
GK
GK
GK
Optimierer
Nutzer
Technologischer Fortschritt
Point of no return
1
2
3
Quelle: HWS
1
vgl. auch Jörn von der Lieth, Unternehmensführung in
der Immobilienwirtschaft in: Fritz Schmoll gen. Eisen-
werth (Hrsg.) Basiswissen Immobilienwirtschaft,
3. Auflage Berlin (GEV/Vahlen) 2015.
1...,31,32,33,34,35,36,37,38,39,40 42,43,44,45,46,47,48,49,50,51,...84
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