DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 6/2019 - page 40

ENERGIE UND TECHNIK
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6|2019
Point of no return
Was haben Eiskunstlauf und Digitalisierung gemeinsam?
„Digitalisierung ist wie der Eiskunstlauf: Er besteht aus Pflicht und Kür und oft fällt die Entscheidung bei
der Pflicht“ (frei nach Gustav Knuth). Die „Pflicht“ in der Digitalisierung ist dabei die Optimierung der Pro-
zesse und Unternehmensabläufe durch den Einsatz neuer Technologien. Und wie beim Eiskunstlauf muss
erst die technische Ausführung, also die „Pflicht“ (A-Note), beherrscht werden, bevor man sich in der „Kür“
dem künstlerischen Ausdruck (B-Note) widmen kann, die in der Digitalisierung aus Mehrwert besteht.
Schon jetzt ist klar: Die Digitalisierung wird alle
Unternehmensbereiche und das gesamte Unter-
nehmensumfeld vollumfassend durchdringen. Die
rechtlichen (z.B. EU-DSGVO), steuerlichen (z.B.
Elektronische Steuererklärung ELSTER) und an-
deren Rahmenbedingungen, die Ansprüche der
Stakeholder an digitale Kommunikation und der
Ersatz analoger durch digitale Ausstattung (z.B.
„Navi“ statt Stadtplan) werden das Verhältnis der
Ressourcen (Personal, Informationen, IT, Ausstat-
Jörn von der Lieth
Geschäftsführer
Hilfswerk-Siedlung GmbH
Berlin
Bettina Harms
Geschäftsführerin
Analyse & Konzepte
Hamburg
Durch ein Zeiterfassungssystem ist es möglich,
Arbeitszeiten einfach und minutengenau
aufzuzeichnen
tung) zueinander und die darauf abgestimmte
Unternehmensorganisation und Unternehmens-
kommunikation grundlegend verändern.
Kosten und Produktivität
Der technische Veränderungsdruck und die da-
mit notwendige Anschaffung neuer Geräte führen
genauso wie die veränderten Führungsbedarfe,
insbesondere der Generation Y und Z, zu höheren
Kosten und neuen Büro- und Organisationsfor-
men. Frühere Führungsspannen in einer analogen
Welt (in etwa 1:12) werden nach Auffassung der
Autoren in einer digitalen Welt erheblich sinken
und die notwendigen Zusatzleistungen eines Ar-
beitgebers für seine Mitarbeitenden (z.B. Yoga-
Kurse, Obstkörbe, Hemdenservices etc.) werden,
auch aufgrund zunehmenden Fachkräftemangels,
stetig steigen. Hierdurch entsteht die Notwen-
digkeit, den steigenden Kostendruck und Fach-
kräftemangel durch Produktivitätssteigerungen
auszugleichen. Wie in anderen Branchenwird dies
zum einen durch die Verlagerung von Tätigkei-
ten auf Mieter mit Hilfe einer Mieter-App (z.B.
für die eigenständige Schadensmeldung) oder
auf Maschinen (z.B. Chat Bots mithilfe künstli-
cher Intelligenz) erreicht werden. Zum anderen
ist der Einsatz eines Workflow-orientierten und
offenen ERP-Systems sowie der Einsatz mobiler
Endgeräte Grundvoraussetzung, um Prozesse ef-
fizient zu gestalten und einen kontinuierlichen
Verbesserungsprozess mit Hilfe der Digitalisie-
rung durchführen zu können.
Entscheidungsfaktoren
Wann ein Unternehmen mit der Digitalisierung
(-sstrategie) beginnen sollte, hängt insbesondere
von der Unternehmensgröße, dem Wettbewerbs-
druck und der inneren Motivation der Führungs-
kräfte ab. Welche personellen und finanziellen
Ressourcen für die Digitalisierung zur Verfügung
stehen, hängt bei Wohnungsunternehmen von der
Anzahl der Mitarbeitenden und Erträge und damit
der zu verwaltenden Wohnungen ab. Zur Beurtei-
lung dieser Frage ist eine Gliederung der Unter-
nehmen nach Anzahl der Wohnungen sinnvoll, die
mit der Anzahl der Mitarbeitenden in etwa korres-
pondiert. Danach gibt es eine Größenklasse (GK) I
mit über 12.000, eine GK II mit 2.000 bis 12.000
und eine GK III mit unter 2.000 zu verwaltenden
Wohnungen für Wohnungsunternehmen
1
.
Unter der Annahme, dass sich technischer Fort-
schritt exponentiell entwickelt, gibt es damit drei
Einstiegsszenarien (siehe Grafik).
Die Unternehmen, die aufgrund ihrer Größe,
des Wettbewerbsdrucks und/oder ihrer inneren
Motivation früh beginnen können, müssen oder
wollen, übernehmen die Funktion der Pioniere.
Diese Unternehmen sind dabei bzw. haben be-
reits Pilotprojekte durchgeführt oder beispiels-
weise Mieter-Apps und BIM-Modelle entwickelt,
papierlose Vermietung eingeführt und vieles
andere mehr. Unternehmen mit mittlerer Größe
und durchschnittlichem Druck sowie Motivation
übernehmen die Funktion der Optimierer. Sie sind
Quelle: HWS
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