Die Wohnungswirtschaft 4/2019 - page 16

Den Nachbarschaftsbörsen komme zugute, dass
alle Mitarbeiter, auch Eberle selbst, am Acker-
mannbogenwohnten, sagt die Leiterin: „Wir haben
das Ohr dicht amViertel. Das fließt in unsere Arbeit
ein.“ Dies erlaube es, Themen, die in der Luft lägen,
schneller aufzugreifen und besser auf die Sorgen
und Nöte von Nachbarn einzugehen.
Die Arbeit des Vereins stößt bei den imViertel en-
gagiertenWohnungsunternehmen, einembunten
Mix aus Genossenschaften, städtischen Gesell-
schaften und privaten Bauträgern, auf positive
Resonanz. Michael Schmitt, Pressesprecher der
städtischen GWG, die dort knapp 180 Wohnun-
gen betreut, lobt die „quartiersstabilisierende“
Wirkung des Vereins, der sich im Viertel sehr
gut vernetzt habe. „Im Grunde verfolgen wir das
gleiche Ziel“, sagt er: „funktionierende Nachbar-
schaften.“ Das sieht man bei der Gewofag, einer
ebenfalls stadteigenenWohnungsgesellschaft, die
Wie wirkt sich ein Nachbarschaftstreff auf
die soziale Stabilität im Quartier aus?
Ein gut geführter Nachbarschaftstreff fungiert als
Kommunikationsplattform, die gemeinschaftliche
Aktivitäten fördert. Kommunikation ist wichtig,
um ein Klima gegenseitiger Akzeptanz und sozi-
alenMiteinanders wachsen zu lassen, das letztlich
den Frieden im Viertel sichert. Konflikte werden
dadurch reduziert, Vandalismus nimmt ab.
In den letzten Jahren wurden viele Nachbar-
schaftsvereine gegründet. Was unterschei-
det einen Verein von einem Treff?
Ein Verein ist eine Art Add-on, das über einen
reinen Treff hinausgeht. Eine Vereinsgründung
erleichtert es, finanzielle Mittel einzuwerben; als
Verein lässt sich quartiersbezogene Bewohner-
arbeit besser organisieren. Meist läuft es darauf
hinaus, dass man mehrere Treffs betreibt.
Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein,
damit quartiersbezogene Bewohnerarbeit
Erfolg hat?
Es braucht professionelles Personal, das die In-
frastruktur aufrechterhält und aktiv auf die Men-
schen zugeht. Die Räumemüssen zentral gelegen
sein; sie dürfen keinesfalls Amtscharakter haben
und das Angebot muss extremniederschwellig ge-
halten werden. Zudem sollte klar sein, dass quar-
tiersbezogene Bewohnerarbeit eine kommunale
Fördermaßnahme ohne Laufzeitbefristung ist. Ein
Nachbarschaftstreff auf rein ehrenamtlicher Basis
trägt nicht auf Dauer.
In Neubausiedlungen plant man oft von
vornherein einen Nachbarschaftstreff ein.
Doch wie ist es, wenn ein Teff nachträglich
etabliert werden soll, beispielsweise in
einem sog. Problemviertel?
Ein Nachbarschaftstreff in einem Problemviertel
muss sich zunächst mit den Basics beschäftigen:
z.B. Schlägereien unter Jugendlichen oder alte
Menschen, die sich nicht mehr auf die Straße trau-
en. Ein Treff kann dann eine wichtige intermediäre
und moderierende Rolle spielen.
Zudem lassen sich unter demMotto „Wir verschö-
nern unser Viertel“ gemeinschaftsstiftende Aktio-
nen organisieren; beispielsweise das Sammeln von
Müll oder das Pflanzen von Blumen. Das scheint
trivial, doch die Identifikation der Bewohner mit
ihrem Viertel lässt sich dadurch ungemein stei-
gern.
Vielen Dank für das Interview.
Das Gespräch führte Hartmut Netz im Oktober 2018.
Interview mit Prof. Dr. Karl-Peter Sprinkart
„Plattform für soziale Stabilität“
Peter Sprinkart lehrte Kultur- und Kommunikationswissenschaft an
der Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften der Hochschule
für angewandte Wissenschaften München. Für das Sozialreferat der
Stadt München hatte der im Dezember 2018 verstorbene Wissenschaftler
im Jahr 2013 eine Studie zur Wirkung von Nachbarschaftstreffs
durchgeführt.
Der vom Ackermannbogen-Verein einmal pro Jahr veranstaltete Flohmarkt bietet mehr als nur die
Gelegenheit, Schätze aus Nachbars Keller zu erwerben. Er ist auch ein soziales Event für das Viertel
Quelle: privat
STÄDTEBAU UND STADTENTWICKLUNG
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