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Zuwanderung gewohnt: Bis 1992 waren in Sögel
Einheiten der US-Armee mit ihren Familien stati-
oniert, von denen die lokaleWirtschaft stark pro-
fitierte; nach deren Abzug kamen Aussiedler aus
der ehemaligen Sowjetunion, die in der Stadt eine
neue Heimat fanden. „Mit Zuzüglern aus fernen
Ländern haben wir gute Erfahrungen gemacht“,
sagt Wigbers. „Warum sollte das mit Flüchtlingen
aus Syrien oder dem Irak anders sein?“
Zumal die ansässigen Betriebe dringend Ar-
beitskräfte benötigen. Im Emsland seien 5.000
Lehrstellen offen, beschreibt der Samtgemeinde-
Bürgermeister die wirtschaftliche Lage der Re-
gion. Bedeutendster Arbeitgeber vor Ort ist der
zur Tönnies-Gruppe gehörende Schlachthof Wei-
demark, der mit über 100.000 geschlachteten
Schweinen pro Woche der größte seiner Art in
Niedersachsen ist. Rund 1.400 Menschen stehen
hier in Lohn und Brot. Daneben fertigen Anla-
genbauer, Stahlbaufirmen und mittelständische
Handwerksbetriebe in Sögel. Und viele Betriebe
leiden unter Fachkräftemangel. Zudem ist die
Stadt staatlich anerkannter Erholungsort und
hat mit der Schlossanlage Clemenswerth, die als
das am besten erhaltene barocke Jagd- und Lust-
schloss seiner Art in Europa gilt, ein lupenreines
touristisches Juwel zu bieten.
Die wirtschaftliche Blüte hat allerdings dafür
gesorgt, dass der Sögeler Wohnungsmarkt ex-
trem angespannt ist. Insbesondere preiswerter
Wohnraum ist durchmehrfache Ausweitungen des
Schlachtbetriebes bei Weidemark zum knappen
Gut geworden. Denn die dort vor allem arbei-
tenden Polen, Ungarn und Rumänen, die ihren
Wohnsitz in Sögel und benachbarten Gemeinden
haben, sind auf günstige Mieten bzw. höhere
Löhne angewiesen. Auch der Ankauf von Bauland
und die Erschließung zweier Baugebiete hat die
Wohnungsknappheit bislang nicht lindern können.
Um den ersten Zustrom von Flüchtlingen aufzu-
fangen, war die Gemeinde deshalb gezwungen,
das alte Rathaus, das eigentlich verkauft werden
sollte, zur vorübergehenden Flüchtlingsherberge
umzufunktionieren. Zugleich sprach Wigbers bei
der regionalen Baugenossenschaft Aschendorf-
Hümmling vor, die auch in Sögel rund 100 Woh-
nungen unterhält, und bat um Unterstützung.
„Aber die Genossenschaft war schon bis an ihre
Kapazitätsgrenzemit Bauprojekten ausgelastet“,
berichtet der Samtgemeinde-Bürgermeister: „Wir
mussten also aus eigener Kraft etwas auf die Beine
stellen.“
Konzept
Die aus der Not geborene Bürgergenossenschaft
„Willkommen in Sögel“ ist keine Baugenossen-
schaft im klassischen Sinne, deren Daseinszweck
Der zweite Neubau der Bürgergenos-
senschaft ist als reines Wohngebäude
realisiert worden. Der Grundriss zeigt
das erste Obergeschoss mit zwei groß-
zügigen Wohnungen
MARKT UND MANAGEMENT
Quelle: Gemeinde Sögel
Quelle: Konzeptstudio Grossmann GmbH
Das bisher letzte Neubau-
projekt der Genossenschaft
(hier die Nordansicht) weist
im Erdgeschoss Flächen für
eine Sozialstation und in
den oberen Stockwerken
Sozialwohnungen auf