Die Wohnungswirtschaft 1/2018 - page 23

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Gerüststellung für
den Fassadenabbruch:
Diese Maßnahme
konnte für den Groß-
teil der Wohnanlage
verhindert werden
Voruntersuchungen zur Fassadensanierung durch
das Architekturbüro Giffey und Saxler jedoch er-
brachten unerwartete Herausforderungen: Nicht
nur waren die Schäden gravierender, als es der
optische Eindruck vermuten ließ. Auch gaben die
20.000 m
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Backsteinfassaden nur auf den ersten
Blick ein einheitliches Bild. Hans Meyer, damals
Hausarchitekt der Genossenschaft, hatte zwar die
Ostfassaden durchgängig aus einschaligemVerbl-
endmauerwerk errichten lassen. Doch die stärker
durch Schlagregen beeinträchtigtenWestfassaden
und Teile der Kopfbauten wurden – unüblich für
den Siedlungsbau – zweischalig erbaut. Die vor-
dere Verblendschale aus Klinker und die tragen-
de Hintermauer aus Kalksandstein waren durch
Drahtanker miteinander verbunden. Dazwischen:
eine ca. 90mmbreite Luftschicht. Ausnahme wa-
ren die imZweitenWeltkrieg zerstörten Abschnit-
te der Westfassaden: Diese waren nach demKrieg
nur einschalig wieder aufgebaut worden.
„Alles noch viel schlimmer als erwartet“
Die Bestandsaufnahme ergab erhebliche Schäden
in den zweischaligen Fassaden: Diemineralischen
Bindemittel des Mauermörtels in der Verblend-
schale warenweitgehend ausgewaschen. Bei Pro-
beöffnungen trat der Sandwasserfallartig aus. Die
Mauerschalenwaren nicht mehr ausreichend ver-
ankert – die Standsicherheit war nicht mehr dauer-
haft zu gewährleisten. Der Erhalt der Fassaden des
Reichardtblocks stand auf dem Spiel. Denn eine
konventionelle Verdübelung beider Mauerschalen
mit Sanierungsankern war nicht möglich: Der Zu-
stand des Mauermörtels war einfach zu schlecht.
Hunderte von Proben, die auf Wunsch des Denk-
malschutzamts veranlasst wurden, bestätigten die
Befürchtungen: Nicht nur wurde die laut Bauauf-
sicht geforderte Druckfestigkeit unterschritten
– es war überhaupt keine Druckfestigkeit messbar.
Hätte ein vollständiger Abbau und Wiederaufbau
aller Fassaden das Erscheinungsbild des Reichard-
tblocks retten können? Nein, denn ein solches Pro-
jekt hätte sich Berechnungen zufolge über zwölf
Jahre hingezogen – für die Bewohner unzumutbar
und für die Genossenschaft wirtschaftlich untrag-
bar. Wer konnte das Backsteindenkmal Reichardt-
block – bzw. seine zweischaligen Westfassaden
jetzt noch retten? Ein Bauschaum!
Bauherren setzen organischen Polyurethan(PUR)-
Hartschaum im Neubau als Plattenware bereits
seit Jahrzehnten erfolgreich zur Verbesserung
des Wärmeschutzes ein. Die nachträgliche Ein-
bringung als Ortschaumhat jedoch hier zusätzlich
zu ihrer „Nebenwirkung“ – der Dämmung – einen
wesentlich wichtigeren Effekt: die Haftwirkung.
Die altoba ließ darum in umfangreichen bauphy-
sikalischen Testreihen erproben, ob diese
Quelle: altoba/Kristina Wedekind
Quelle: Giffey Saxler Architekten
Sichtfassade Bahrenfelder Chaussee nach dem Wiederaufbau. „Endlich! War so nervig. Sieht aber super aus!“,
kommentierte eine Anwohnerin auf Facebook
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