Die Wohnungswirtschaft 1/2018 - page 13

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bist du erwünscht, hier darfst du spielen, hier
kannst du dich setzen und hier gehört der Müll
hin.“
• Das Wohnumfeld sollte eindeutig differenzieren
zwischen privat, halböffentlich und öffentlich
nutzbaren Freiräumen; je eindeutiger diese Dif-
ferenzierung ist, destoweniger Konflikte treten
im Alltag auf.
• Die Freiraumgestaltung imGeschosswohnungs-
bau sollte nicht irgendwelchen Moden folgen,
sondern eher zeitlos sein und möglichst dem
Geschmack derjenigen entgegenkommen, die
dort wohnen.
• Die Gestaltung des Wohnumfeldes muss be-
zahlbar sein, sowohl in der Anlage wie auch
in Bezug auf die laufende Pflege und die Un-
terhaltung.
• Gerade dadurch, dass viele Menschen im Zuge
des digitalen Zeitalters immer mehr „online“
sind, gewinnen reale Erfahrungen mit ihren
Nachbarn in einem schön gestalteten Umfeld
zunehmend an Bedeutung.
• Nicht zu unterschätzen ist die große Einsamkeit,
unter der heute viele Menschen leiden. Für sie
haben Möglichkeiten zur informellen Begeg-
nung und zum Gespräch eine große Bedeutung
– auch dafür lassen sich im Freiraum gute Vor-
aussetzungen schaffen.
Vorurteile und Realitäten
Alle kennen sie – die gängigen Behauptungen, die
in der Öffentlichkeit weit verbreitet sind und mit
der alle, die in und mit der Wohnungswirtschaft
arbeiten, recht häufig konfrontiert werden. An-
hand von konkreten Projekten kann – und wird im
Folgenden anhand einiger Gegenbeispiele, an de-
nen die Autorin beteiligt war – jeweils aufgezeigt
werden, dass solche Behauptungen zumindest
nicht immer zutreffen müssen. 

Diese Kinderzeichnung zeigt, dass es kein Problem ist, in Hochhäusern
zu wohnen – wenn genügend „Grün“ drum herum ist
ImHochhaus lebt man anonym; hier entsteht kein
nachbarschaftlicher Zusammenhalt
Gegenbeispiel: Bremen-Osterholz-Tenever war
seinerzeit eines der ersten Projekte imRahmen des
Programms StadtumbauWest. Die Hochhaussied-
lung am Rande Bremens aus den 1970er Jahren,
im Volksmund auch „Klein Manhattan“ genannt,
galt 20 Jahre nach ihrer Erbauung als unsicher
und unwirtlich. Freiwillig wollte dort niemand
wohnen. Der Abriss von fast 30%der damals über-
wiegend leerstehenden Gebäude sowie die konse-
quente und optisch sehr ansprechende Sanierung
der erhaltenen Hochhäuser seitens der Bremer
GEWOBA Aktiengesellschaft Wohnen und Bauen
(Architekten: Hilmes Lamprecht, Bremen) schuf
die Basis. Dank einer alle Freiflächen des Quar-
tiers umfassenden Umgestaltung imZeitraumvon
2004 bis 2012 enstand eine freundlichere Atmo-
sphäre im Quartier, die ihresgleichen sucht. Dass
die Planungen nicht nur auf der Grundlage eines
Wettbewerbs durchgeführt, sondern mit inten-
siver Bürgerbeteiligung realisiert wurden, trug
sicher dazu bei.
Im Zeilenwohnungsbau der 1950er und 1960er
Jahre ist die Dichte zu gering, um eine Nachbar-
schaft entstehen zu lassen. Ältere ziehen weg, da
sie nicht mehr Treppen steigen können
Gegenbeispiel: In Göttingen-Leineberg gelang es,
imRahmen der energetischen Sanierung durch die
StädtischeWohnungsbau GmbHGöttingen (Archi-
tekten: Architektengruppe Wagner, ONP Göt-
Vorher/nachher: In Osterholz-Tenever wurden ca. 30% des Gebäudebestands abgerissen, die verbleibenden
Häuser saniert und alle Freiräume den aktuellen Bedürfnissen entsprechend gestaltet – ein Erfolgsmodell
Die Hauseingangsbereiche in Osterholz-Tenever wurden vollkommen umgestaltet. Jetzt gibt
es Eingangsloggien mit Concierge, davor Hochbeete mit Stauden und Bänken als Treffpunkt
Quelle aller Abblidungen: Spalink-Sievers Landschaftsarchitekten BDLA
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