Die Wohnungswirtschaft 1/2018 - page 11

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Grünflächen gestaltet sein müssen, damit Senio-
ren sie nutzen können.
Online befragt:
126 Einrichtungen in sechs Ländern
Für ihre Studie befragten die Wissenschaftler
die Verwaltungen von Seniorenheimen in sechs
europäischen Ländern. Die Untersuchungen kon-
zentrierten sich dabei auf Städte mit mehr als
100.000 Einwohnern hoher und geringer Bevöl-
kerungsdichte. Frühere Untersuchungen hatten
gezeigt, dass vor allem in Städtenmit hoher Bevöl-
kerungsdichte der Anteil an Grünflächen abnimmt
– obwohl diese z.B. wichtig sind für das Stadtklima
und das Wohlbefinden der Menschen.
So nahmen 126 Einrichtungen aus 17 Städten in
Deutschland, Norwegen, Österreich, Polen, Ru-
mänien und Slowenien an der Befragung teil. Der
überwiegende Teil (92%) verfügt über einen eige-
nen Garten, der von den Bewohnern auch genutzt
werden kann. 6%der Einrichtungen verfügen über
keinen eigenen Garten und nur 2% der Senioren-
heime haben zwar einen Garten, den die Bewohner
aber nicht nutzen können.
Trotz Garten:
Öffentliches Grün wird häufig genutzt
Ob Garten oder städtische Grünflächen – die Be-
fragung hat gezeigt, dass Grün für die Lebensqua-
lität von Senioren von zentraler Bedeutung ist.
Die befragten Einrichtungen gaben an, dass der
Besuch von Gärten, Parks und Stadtwald vor allem
für körperliche Aktivitätenwie Spaziergänge, das
Gärtnern oder Pflücken von Pflanzen sowie für
den sozialen Austausch eine große Rolle spielt.
Auch für die passive Erholung, etwa durch die Be-
obachtung der Natur, sind Grünflächen für ältere
Menschen wichtig.
Anders als von den Forschenden angenommen, be-
suchen Senioren aus Heimen ohne eigenen Garten
städtische Grünflächen seltener als Bewohner von
Einrichtungenmit Garten. Wie häufig und intensiv
Ältere Gärten oder städtische Grünanlagen nutzen,
hängt maßgeblich von ihremGesundheitszustand
ab. Heimbewohner, die körperlich und geistig fit
sind, halten sich nahezu täglich im Garten ihrer
Einrichtung auf. Mehrmals im Monat besuchen
sie mit, aber auch ohne Begleitung durch Besuch
oder das Pflegepersonal öffentliche Grünanlagen.
Vor allem für Bewohner von Einrichtungen ohne
Garten dient der Besuch im Park oft als Auszeit
vom Leben im Seniorenheim.
Altersgerechte Ausstattung:
Bänke, Toiletten, naturnahes Grün
Deutlich wurde bei den Befragungen auch: Sollen
ältereMenschen Gärten und Grünflächen nutzen,
müssen diese ihren Bedürfnissen entsprechend
gestaltet sein. Viele der Senioreneinrichtungen
mit Garten (87%) haben dies bereits erkannt. Sie
gestalten ihre Anlagen barrierefrei, damit sie auch
mit Gehhilfen gut nutzbar sind. Ebenso finden sich
rutschfeste Beläge auf Fußwegen, Sichtschutz für
mehr Privatsphäre und Zäune, die vor allemMen-
schen mit Demenzerkrankungen vor naheliegen-
den Straßen schützen.
Zu oft fehlen in den Gärten von Seniorenheimen
noch stationäre Trainingsgeräte oder Ballsport-
anlagen – Angebote also, die körperliche Aktivitä-
ten der Bewohner unterstützen. Andere möchten
einfach nur ihre Umwelt beobachten. Hier emp-
fehlen die Wissenschaftler, Anlagen naturnaher
zu gestalten – z.B. mit Wildblumenwiese statt
Zierrasen. „Für Menschen mit Demenz sollten
noch häufiger Sinnes- oder Duftgärten angeboten
werden. Auch Maßnahmen, die die Orientierung
imGarten erleichtern, wieWegweiser und Zäune,
wären zu empfehlen“, erläutert Studienleiterin
Martina Artmann am IÖR.
An öffentliche Grünflächen stellen sich ähnliche
Anforderungen: Auch diesemüssen gut erreichbar
und nutzbar sein. „Bei städtischen Grünflächen
kommen weitere Anforderungen hinzu: Ausrei-
chend öffentliche Toiletten sind erforderlich. Und
Bänke sollten in kurzen Abständen aufgestellt
sein, damit sich Spaziergänger auch ausruhen
können“, erklärt Artmann weiter.
Ihre Studie bietet einen umfassenden Überblick
über die Rolle von Gärten und Stadtgrün für Ältere,
die in Seniorenheimen in Europa leben.
Auch die Wohnungswirtschaft kann für mehr Le-
bensqualität in den Quartieren sorgen, indem sie
Freiflächen qualifiziert. Vor allem in wachsenden
Großstädten wird dies in Zukunft entscheidend
sein – und das in mehrfacher Hinsicht. Nicht nur
für die älter werdende Bewohnerschaft sind gut
gestaltete Grünflächen wichtig, wie die Studie
zeigt. Hinzu kommt, dass gerade dicht bebaute
Stadtgebiete im Sommer zunehmend zu Hitzein-
seln werden. Vor allem für ältere Anwohner, aber
auch für kranke Menschen und Kinder birgt das
gesundheitliche Gefahren. Weitere Untersuchun-
gen des IÖR zeigen, dass auch hier gut gestal-
tete Freiflächen und durchgrünte Stadtgebiete
einen wichtigen Beitrag leisten, indem sie die
Temperatur regulieren. Und auch andere Extre-
me, die der Klimawandel mit sich bringt – etwa
Starkregen und die damit einhergehende Gefahr
von Überflutungen – können diese Flächen ab-
mildern. Sie dienen dann als Versickerungs- und
Rückhalteflächen.
Weitere Informationen:
Neubau und Sanierung
Energie und Technik
Rechtssprechung
Haufe Gruppe
Markt undManagement
Stadtbauund Stadtentwicklung
„BIG SEVEN“: ANTEIL DER GRÜNFLÄCHEN IN DEN SIEBEN GRÖSSTEN DEUTSCHEN STÄDTEN
Stadt
Gesamtfläche
(km
2
)
Einwohner
Freifläche
(%)
Wald
(%)
Gewässer
(%)
Erreichbarkeit
1
(%)
Grünfl.
2
je
Einwohner
(m
2
)
Berlin
891,1
3.520.030
13,9
18,8
6,1
68,1
45,5
Hamburg
750,9
1.787.410
10,1
7,9
7,7
78,8
110,2
München
310,8
1.450.380
12,2
6,1
1,2
72,9
50,5
Köln
405,0
1.060.580
11,1
17,3
4,7
80,4
86,1
Frankfurt a. M.
248,4
732.688
12,0
17,8
1,8
75,8
65,4
Stuttgart
207,3
623.738
6,3
24,5
1,1
84,7
92,3
Düsseldorf
217,5
612.178
9,1
14,6
6,1
78,4
79,3
1
Anteil der Einwohner, die öffentliche Grünflächen (von mind. 10.000 m
2
) zu Fuß erreichen können
2
Im Umkreis von 300 m innerhalb der bewohnten Siedlungsfläche
Daten:
1...,2,3,4,5,6,7,8,9,10 12,13,14,15,16,17,18,19,20,21,...84
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