DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 8/2017 - page 43

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8|2017
Eindrücke des neuen Jurypräsidenten
Preisträger: Charakter einer Dreiergruppe
Der Preis wurde im Jahr 2003 erstmalig ausgelobt und 2004 zum ersten Mal in Garmisch-Partenkirchen
verliehen. Der Juryvorsitz sowie die Vorbereitung und Organisation beim BBU lagen 2017 in neuen Händen.
Ein erster Eindruck der Juryarbeit und der Qualität der eingereichten Projekte 2017.
Die Immobilienbranche ist eine besonders wich-
tige Branche. Sie baut die Gebäudehüllen für die
Zivilisation. Etwa die Hälfte der Assets, d. h. der
Eigentumswerte auf dieser Welt, sind Immobili-
en. Sie sind – nicht überraschend – das Rückgrat
der Absicherung von Krediten im Rahmen des
Finanzsystems. Immobilien sind Teil der realen
Ökonomie.
Es muss gebaut werden. Die Angelegenheit ist
ressourcenintensiv. Es werden viele Ressourcen
verbraucht. Es wird sehr viel Energie verbraucht.
Es entstehen viele CO
2
-Emissionen – auch hier ein
Drittel bis die Hälfte der weltweiten Aktivitäten.
Deshalb ist die Immobilienwirtschaft auch großen
Anforderungen in Richtung Nachhaltigkeit ausge-
setzt, während sie gleichzeitig „liefern” muss.
Die Weltbevölkerung explodiert. Die Ansprüche
an Wohnungen wachsen. Wir sind mit Migration
konfrontiert. In dieser Situation erfolgen viele In-
novationen in der Branche; weitere sind bereits
am Horizont sichtbar. Man wird insbesondere in
integrierter Weise moderne Informationstechni-
ken nutzen, um leistungsfähiger zu werden. Man
wird versuchen, sich verstärkt in Richtung seri-
elles Bauen zu orientieren, um Preise zu senken,
Qualitäten zu verbessern und vor allemdas Tempo
beim Bauen deutlich zu erhöhen. Und man wird
zugleich versuchen, verstärkt Holz einzusetzen,
um eine erneuerbare Ressource zu nutzen und
gleichzeitig CO
2
der Atmosphäre zu entziehen
(Negativemissionen).
Die Ausschreibung des DW-Zukunftspreises der
Immobilienwirtschaft 2017 ist vor diesem Hin-
tergrund zu sehen. Da der Preis schon viele Jahre
existiert, ein hohes Prestige hat und mit einem
wichtigen jährlichen Zusammentreffen der Bran-
che in Garmisch-Partenkirchen verbunden ist, gab
es interessante Bewerbungen in genügender Zahl,
in diesem Fall 39 Stück.
Die Juryarbeit
Eine Jury kann nur mit demMaterial arbeiten, das
eingereicht wird. Wir waren als Jury glücklich und
zufrieden mit der Vielzahl der Vorschläge, mit der
Qualität, mit den vielen Innovationen, aber auch
der Breite der adressierten Themen. Das Problem
war daher nicht, preiswürdige Arbeiten zu finden,
sondern, dass wir deutlich mehr Arbeiten hatten,
die wir hätten auszeichnen wollen, als Auszeich-
nungen, die zu vergeben waren. Das Problem lag
also darin, aus einer großen Zahl auszeichnungs-
würdiger Arbeiten drei Vorschläge auszuwählen
und als Preisträger besonders hervorzuheben.
Als Jury-Vorsitzender kann ich an dieser Stelle
feststellen, dass die Arbeit in der Jury angenehm
war. Von Seiten der Organisation, die beim BBU
lag, waren die Einreichungen bereits systematisch
vorbearbeitet worden. Die Jury setzt sich aus einer
ganzen Reihe von hochqualifizierten, unabhängi-
gen Personen zusammen. Es hat Freude gemacht,
in dieser Gruppe im Konsens die Sieger zu identi-
fizieren, wobei für die Gruppe wichtig war, dass
wir ein größeres Spektrum von Akteuren mit un-
seren Auszeichnungen abdecken. Insofern sind die
Auszeichnungen nicht isoliert zu sehen, sondern
haben durchaus den Charakter einer Dreiergruppe.
Thematisch hat sich die Jury zum Schluss für drei
Innovationen entschieden, die auf den folgenden
Seiten noch genauer vorgestellt werden. Genannt
seien sie hier schon einmal:
Erstens aus Kempten im Allgäu eine Senioren-
wohnanlage mit Tagespflege-Nachverdichtung,
eingereicht von der Bau- und Siedlungsgenossen-
schaft eG. Das Projekt entstand in enger Koope-
ration mit der Kommune, einer Sozialeinrichtung
sowie der örtlichen Hochschule. Die Jury fand das
Ergebnis beeindruckend und hofft, dass man an
vielen Stellen in Deutschland Ähnliches schaffen
wird.
Ein weiterer Preisträger ist die GWG Service
GmbH Kassel mit „indiControl – einer patentierten
Systemlösung zur Regelung von Einrohrheizsys-
temen“. Die Frage war, ob man in Häusern mit
Einrohrlösungen mit Intelligenz eine Differen-
zierung auf Mieterebene erreichen kann, ohne
die hohen Kosten eines Komplettumbaus akzep-
tieren zu müssen. Das ist der GWG Service GmbH
Kassel gelungen: ein Triumph des Gehirns über
die Materie.
Schließlich unser dritter Preisträger: die Vonovia
SE, Bochum – der größte Akteur in Deutschland
in diesem Bereich. Die Vonovia hat einen wich-
tigen Beitrag im Bereich „Serieller Wohnungs-
bau“ geleistet. Es ist ihr gelungen, Wohnungen
in einer Situation großer Nachfrage und großen
Handlungsdrucks kurzfristig, qualitativ hochwer-
tig und preiswert zu realisieren. Hervorzuheben
ist auch, dass Holz in der Realisierung eine große
Rolle gespielt hat.
Fazit
Insgesamt ein großartiges Ergebnis, präsentiert
in einer eindrucksvollen Gala auf dem Aareon
Kongress. Auch das war ein Erlebnis: einerseits
in der Sachorientierung, dann durchaus auch in der
Fähigkeit, zu feiern. Und das alles in einer Arena,
die in Wirklichkeit ein beeindruckendes großes
Zelt war. In diesemZelt interagiertenmitreißende
Künstler mit tanzfreudigen Kongressteilnehmern,
die versorgt wurden durch ein leistungsfähiges
Team, das die Veranstaltung in großartiger Weise
gemanagt hat. Dank an alle Organisatoren, Ma-
cher und Teilnehmer und Dank an die Jury und die
Preisträger für diese Veranstaltung.
Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. Franz Josef Radermacher
Forschungsinstitut für anwendungsorientierte
Wissensverarbeitung/n (FAW/n)
Ulm
THEMA DES MONATS
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