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5|2017
Warum interessiert sich die Hilfswerk-
Siedlung GmbH für Tiny Houses?
Weil sich das Wohnen verändert. Und zwar zum
einen durch veränderte Bedürfnisse und zum an-
deren durch eine Vielzahl neuer Lebensformen.
Eine alleinerziehende Mutter braucht zum Bei-
spiel keine 2-, sondern eine 3-Zimmer-Wohnung.
Diese muss dann aber kleiner sein als eine große
2-Zimmer-Wohnung, damit sie dieMiete bezahlen
kann. Es gibt außerdem heute mehr Obdachlo-
se als früher und mehr Menschen mit mehreren
Wohnsitzen – die sogenannten Business-Noma-
den. Deshalb beschäftigenwir uns mit demThema
„Kleinheit“. Als Berliner Wohnungsunternehmen
interessiert uns außerdemnatürlich die Frage der
Verteilungsgerechtigkeit.
Setzen Sie die Erkenntnisse konkret um?
Wir realisieren schon neue Grundrisse – so haben
wir zum Beispiel eine barrierearme Wohnung für
zwei Personen mit 40 m
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inklusive Balkon im
Bestand. Aktuell bauen wir dreimal eine 42-m
2
-
Wohnungmit einemplus zwei halben Zimmern. Da
ist das Elternschlafzimmer nur 5 m
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groß.
Der Architekt Van Bo Le-Mentzel hat
zusammen mit der HWS ein Tiny House mit
einer Grundfläche von 6,4 m
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entwickelt.
Warum?
Unser Tiny House betrachtenwir als Experiment zu
der Frage: Wie klein kann eine Wohnung sein, die
gerade noch funktioniert? Wenn Sie etwas einge-
kocht haben und wissen möchten, ob der Deckel
richtig schließt, gibt es einen Trick: einmal über-
drehen, dannweißman, wo der richtige Punkt ist.
Insofern war dieses Tiny House unser Versuch des
Überdrehens. Aber: Als wir den Prototypen gese-
hen haben, wussten wir, dass wir nicht überdreht
haben. Denn es funktioniert.
Wie ist die Idee dazu entstanden?
Van Bo Le-Mentzel sagte uns, dass er gern ein
Haus für 100 € Miete pro Monat bauen würde.
Dann haben wir ihm gesagt, was wir an Miete pro
Quadratmeter brauchen würden, um ein Haus zu
bauen. Das war für ihn der Ausgangspunkt. Das
Ergebnis ist ein Haus mit 6,4 m
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Grundfläche,
das inklusive Küche und Bad alles bietet, was ein
Mensch zum Wohnen braucht – aber mehr auch
Quelle: Hilfswerk-Siedlung Berlin GmbH
Die Hilfswerk-Siedlung GmbH (HWS) beschäftigt sich seit Jahren intensiv mit der Zukunft des
Wohnens und hat in Berlin schon verschiedene innovative Grundrisse mit kleinen Flächen realisiert.
Jetzt hat sie das 100-€-Haus des Architekten Van Bo Le-Mentzel gesponsert. Es soll für 100 € Miete
im Monat alles bieten, was ein Mensch zum Leben braucht – auf 6,4 m
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. Ein Gespräch mit der
stellvertretenden Geschäftsführerin der HWS.
Interview mit Dorit Brauns
„Wie klein kann eine Wohnung sein,
damit sie gerade noch funktioniert?“
Quelle: HWS
NEUBAU UND SANIERUNG
Das 6,4-m
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-Haus nach Entwürfen
von Van Bo Le-Mentzel