NEUBAU UND SANIERUNG
26
5|2017
mit seinen 26 cm dicken Stahlbetonwänden auch
statische Aufgaben. Gemeinsammit demminerali-
schen Erdgeschoss leitet er die Lasten des Holzbaus
in die Fundamente ab und steift den Wohnturm,
zusammen mit zwei Holzbau-Wandscheiben, aus.
Die Zugverankerungen Letzterer sind mittels eines
Stahlteils durch die Bestandsdecke in eine neu be-
tonierte Wand ausgeführt worden.
Darüber hinaus erfolgt der lineare Lastabtrag des
Wohnturms über Holzbeton-Verbunddecken und
Brettsperrholz (BSP)-Wände in das Erdgeschoss.
Die alte, leichte Stahlkonstruktion des Silos konnte
nicht verwendet werden, da diese den statischen
Erfordernissen eines 6-geschossigen Wohnbaus
nicht genügte.
BSP-Konstruktion mit Vorhangfassade
Die Gebäudehülle besteht, bis auf das mineralisch
ausgeführte Erdgeschoss, aus einer massiven Kon-
struktion aus Brettsperrholz, bestehend aus fünf
Lamellen von zusammen 14 cm. Gemäß der zu
erreichenden Brandschutzklasse F90-B hat man
diese innenseitig mit doppelten Gipsfaserplatten
von 2 x 18 mm K260 beplankt. Nach außen folgen
mittels Wandhalter platzierte Dämmplatten aus
Steinwolle von 24 cm Stärke, die mit Schrauben
und Dämmstofftellern auf den BSP-Elementen
befestigt wurden. Ein Vorteil der mineralischen
Dämmplatten besteht darin, dass sie werkseitig
bereits über ein kaschiertes, diffusionsoffenes
Vlies verfügen, was einen Arbeitsgang beim Auf-
bau der Gebäudehülle einsparte. Zudem weisen
sie aufgrund einer brandschutzbedingten Son-
deranfertigung die extrem hohe Rohdichte von
>70 kg/m
2
auf, was zumeinen der geforderten, dop-
pelten K260-Kapselung der Innenseite entspricht
und zum anderen die Dämmwirkung der Gebäude-
hülle verstärkt.
Die Vorhangfassade wurde auf einer Alu-Unterkon-
struktionmit Tragschiene und einem sichtbaren Be-
festigungssystem aus in Plattenfarbe eingefärbten
Nieten montiert. Mit der recht großzügig dimensi-
onierten Hinterlüftungsebene von immerhin 4 cm
beugen die Ingenieure etwaigen Ausdehnungen
und Bewegungen im Baukörper vor, so dass die
Dämmebene zu jeder Zeit ungestört bleibt und
keineWärmebrücken entstehen. Den Abschluss der
Vorhangfassade bilden 8 mm dünne HPL-Platten
(High Pressure Laminate) – Hochdrucklaminate aus
doppelt gehärteten Acryl-Polyurethan-Harzen mit
einem flammgeschützten Kern. Deren Auswahl er-
folgte aufgrund ihrer dauerhaftenWitterungsresis-
tenz, Lichtbeständigkeit und pflegefreien Oberflä-
che, was demWohnturmzudemein zeitloses Antlitz
verleiht.
Einzig die angehängten Balkone erhielten aus
zweierlei Gründen eine alternative Bekleidung aus
feuerfesten Faserzementplatten: zum Einen, damit
die Feuerwehr imBrandfall sichere Anleiterungsbe-
reiche vorfindet, und zumAnderen, umdurch diese
wiederkehrende Materialität die Verbindung zum
angrenzenden Supermarkt herzustellen.
Holzbeton-Verbunddecken mit
sichtoffenen Unterseiten
Ebensowie die Außen-, so bestehen auch die Innen-
wände aus massivem Brettsperrholz. Der symme-
trischeWandaufbauwird von einer doppelten BSP-
Ebene von je 10 cmgebildet, in der Mitte getrennt
von einer 4 cm dicken Mineralfaserdämmung, die
gemeinsam den Erfordernissen des Schallschut-
zes Rechnung tragen. Den beiderseitigen Ab-
schluss bilden je zwei Lagen Gipsfaserplatten von
zusammen 36 mm, die der Konstruktion durch die
K260-Kapselung zur Erreichung der vorgegebenen
Brandschutzklasse F90-B verhelfen.
Die Decken des 6-Geschossers sind, bis auf die
Stahlbetondecke über dem Erdgeschoss, in Hyb-
ridbauweise als Holzbeton-Verbunddecken (HBV)
erstellt worden. Auf eine 14 cmdicke, vorgefertigte
Decklage aus liegendemBrettschichtholzwurde auf
der Baustelle eine Schicht von 12 cm Überbeton
gegossen. In die Betonschicht bettete man zudem
die Leitungen der Elektroinstallation. Darauf folgt
eine 4 cm dicke Trittschalldämmung aus Mineral-
fasermatten, die von einem 7 cm dicken Estrich
mit darin integrierter Fußbodenheizung und einem
Laminatboden abgeschlossenwird. AufWunsch der
Bauherrschaft sind die Unterseiten der HBV-Decken
in sämtlichen Wohnungen sichtoffen geblieben.
Signal der Veränderung an den Stadtrand
DerWohnturmwird heizenergetisch von einer Gas-
brennwerttherme versorgt. Diese wird von einer
auf demFlachdachmontierten Solarthermie-Anla-
ge unterstützt, die gemeinsamauch den Bedarfmit
Warmwasser decken. Die Energieverteilung erfolgt
systemintegriert über einen Pufferspeicher, über
den die Fußbodenheizungmit einer Vorlauftempe-
ratur von etwa 35°C angefahren wird.
Die verschobenen Fensterausschnitte senden ein
Signal der Veränderung an den Stadtrand und spie-
geln zugleich den durch die IBA entwickelten, holz-
baulichen Bezug im Kontext der fortschreitenden
Urbanisierung in der Hansestadt wider.
Insgesamt wurden beim Bau des Wohnturms etwa
300 m
2
an massivem Holz verbaut. Dies entspricht
einemAnteil an Kohlenstoff - aus demHolz zu 50%
besteht - von ca. 75 t, was einer CO2-Speicherung
von über 275 t gleichkommt.
Bauherr:
Grundstücksgesellschaft
Süderquerweg Kohpeiß GmbH & Co. KG,
Hamburg
Entwurfs- und Genehmigungsplanung:
Architekturbüro Joachim Schmidt, Braun-
schweig
Holzbau Werkplanung/Statik/Schall-
schutz:
Pirmin Jung Deutschland GmbH,
Sinzig
Statik Stahlbetonbau/Wärmeschutz-
nachweis:
Ingenieurbüro Helfried Schmitz,
Bremen + Team Radecke
Entwurfsüberarbeitung/Ausführungs-
planung/Bauleitung:
Mennerich GmbH,
Bremen
OBJEKTBETEILIGTE
Bebaute Fläche:
158 m
2
Wohnfläche:
860 m
2
Nutzfläche:
125 m
2
(Abstellräume,
Technik im EG)
Wohnungen:
10
Stockwerke:
6
Gebäudeklasse:
5
Gebäudehöhe:
20,52 m
Bauzeit:
09/2014 – 09/2016
Baukosten:
1,1 Mio. €
Jahresprimärenergiebedarf Q“p:
40,94 kWh/m
2
a
Transmissionswärmeverlust H“T:
0,318 kWh/m
2
a
Endenergiebedarf:
36 kWh/m
2
a
GEBÄUDEDATEN
Die angehängten Balkone aus BSP-Elementen wurden
an der Unterseite sichtoffen ausgeführt