NEUBAU UND SANIERUNG
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5|2017
zuständig für technische Produktentwicklungen
(siehe Kasten rechts). 2012 nahm das Gelsenkir-
chener Wohnungsbauunternehmen amZukunfts-
hauswettbewerb der Innovation City Ruhr/Mo-
dellstadt Bottrop teil und erhielt den Zuschlag für
die Umgestaltung eines Mehrfamilienhauses zum
Plusenergiehaus. Ein Element zum Erreichen des
Plusenergiehausstandards war eine PV-Fassade an
der Südostseite des Hauses. Eine Marktrecherche
führte zur Firma Sto, weil die Wärmedämmung
gleich mit integriert sein sollte.
Mit der PV-Fassade habe man gute Erfahrung ge-
macht. Sie sei einfach und in der vorgegebenen
Zeit montiert worden. Auch der äußere Eindruck
sei gut, die dreieckigen Ergänzungsteile unter den
Dachschrägen, die keine PV-Module seien, würden
überhaupt nicht auffallen. Die Baugenehmigung
sei problemlos durchgelaufen und Beschwerden
der Anwohner wegen Spiegelung und Blendung
habe es auch nicht gegeben.
Der erzeugte Strom wird übrigens vorrangig für
eine Erdwärmepumpe und die Lüftung verwendet,
nur die Überschüsse werden ins öffentliche Netz
eingespeist und vergütet. EinMieterstrommodell,
so Großmann, sei nicht in Frage gekommen, da
VIVAWEST unter den derzeitigen gesetzlichen
Rahmenbedingungen nicht als Stromanbieter
auftreten könne und wolle, so Großmann.
Für gehobenes Wohnen
Die Mieter können sich nun insbesondere über
geringere Nebenkosten freuen. Die belaufen sich
für denWärmepumpenstrom, den Allgemeinstrom
und die Lüftungsanlage auf ca. 35 €/Monat. Klei-
ner Wermutstropfen: Die tatsächlich erzeugte
Strommenge liege unter der Prognose.
„Eine PV-Fassade würden wir deshalb nur in
Sonderprojekten mit hohem architektonischen
Anspruch und entsprechenden Erlösen wieder
einsetzen“, so Großmann.Solch ein Projekt fin-
det sich in Lörrach am Niederfeldplatz. Dort ließ
die städtische Wohnbaugesellschaft Lörrach das
seinerzeit erste CO
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-neutrale Mietwohnquartier
in Deutschland planen und bauen. Es entstanden
88 exklusive Mietwohnungen nahe der Lörracher
Innenstadt und mit S-Bahn-Haltestelle. Bei dem
bereits mehrfach ausgezeichneten Projekt kamen
112 solcher Fassadenpaneele zum Einsatz.
Eine weitere Variante sind vorgefertigte Balkon-
fassaden. Die wurden etwa von Anbieter Ertex
Solar schon in mehreren Wohnobjekten verbaut.
„Im sozialen Wohnungsbau ist das trotzdem eher
selten“, so Dieter Moor von Ertex. „Dort geht es
um leistbares Wohnen und die PV-Fassaden verteu-
ern auf jeden Fall die Investition.“ Dabei sei Balkon
nicht gleich Balkon, auch wenn seine Bauteile bei
300 €/m
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liegen, was für PV-Fassaden noch ver-
gleichsweise günstig sei. Auch die geringeren Er-
träge an einer Fassade müsse man betrachten. Bei
aufgeständerten und für die Sonneneinstrahlung
optimierten PV-Anlagen könneman von 100% Leis-
tung ausgehen. Bei den senkrechten Fassaden- oder
Balkonelementen kämen dagegen in Südausrich-
tung maximal 70% Leistung heraus.
Fazit
PV-Fassaden sind derzeit für den breiten Woh-
nungsbau sicher noch zu teuer. Aber auch hier
zeigt die Preiskurve nach unten, wie bei der
gesamten PV-Technologie in den beiden letzten
Jahrzehnten. Das kann die Verbreitung auch im
Wohnungsbau fördern.
Eine Möglichkeit für PV-
Fassaden sind auch Balkone,
wie hier bei der Wohnungs-
baugesellschaft der Stadt
Zirndorf mit einer Leistung
von 12 kWp
Quelle: Ertex Solar
Das Wohnungsunternehmen VIVAWEST
hat in Bottrop ein aus den 1960er Jahren
stammendes Mehrfamilienhaus energetisch
saniert, mit moderner Technik versehen und
so zum Plusenergiehaus umgebaut. Zum
Einsatz kamen dabei auch fassadenintegrierte
PV-Module.
Auf dem Dach und an der Südostfassade
wurden insgesamt 225 m2 PV-Dünnschicht-
module installiert. Das Einzelmaß der Module
beträgt 1,2 x 0,6 m. Die Stromproduktion
allein der Südostfassade beläuft sich auf gut
4.000 kWh/Jahr. Damit kann sie den durch-
schnittlichen Verbrauch einer vierköpfigen
Familie in dem Gebäude komplett für ein Jahr
decken. Die PV-Vorhangfassade dient zugleich der Wärmedämmung.
Eine so in das Gebäude integrierte PV-Fassade kann einen jährlichen Stromertrag von 55 bis
80 kWh/m2/Jahr erzeugen. Die Dach-PV-Anlage erzeugt bei einer Leistung von 24,3 kWp rund
18.200 kWh Strom. Damit wird der komplette Strombedarf des Hauses mehr als abgedeckt.
Die Überschüsse werden ins Verteilnetz eingespeist.
VIVAWEST – VORREITER IN DER WOHNUNGSWIRTSCHAFT
Die Südostfront des mit einer PV-Fassade
ausgestatteten Wohnhauses in Bottrop
Quelle: Sto, Foto: Guido Erbring, Köln
Die EN 50583:2012 verweist auf die für
fassadenintegrierte PV-Module wesentli-
chen Normen und Richtlinien. Festgelegt
sind diese in der Europäischen Richtlinie
für Bauprodukte CPD 89/106/EWG, der
Niederspannungsrichtlinie 2006/95/EWG
oder in CENELEC-Normen.
Sie ist nicht anwendbar für Konzentrator-
Photovoltaikmodule oder auf Gebäuden
montierte Photovoltaikmodule.
EN 50583: 2012 „GEBÄUDEINTE-
GRIERTE PHOTOVOLTAIKMODULE“