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4|2017
Herr Gießmann, Sie haben schon mehrfach
Mitarbeiter zu anderen Wohnungsunterneh-
men geschickt. Warum tun Sie das?
Es ist grundsätzlich sinnvoll, Dinge aus einer an-
deren Perspektive zu betrachten und zu erfahren,
wie Prozesse in anderen Unternehmen ablaufen. In
Mitteldeutschland habenwir vielerorts mit ähnli-
chen Themen zu tun – vor allemmit einem struk-
turellenWohnungsleerstand. Es ist eineWin-win-
Situation, wenn man sich dann austauscht. In der
Wohnungswirtschaft besteht der große Vorteil,
dass Unternehmen meist an unterschiedlichen
Standorten tätig sind und nicht in direkter Konkur-
renz zueinander stehen. Schließlich zieht niemand
allein wegen der Wohnung nach Wittenberg. Wir
nehmen uns also gegenseitig keine Mieter weg.
Finden Sie leicht Unternehmen, die mitma-
chen? Oder begegnen Sie auch Vorbehalten?
Nicht jede Wohnungsgesellschaft ist zu einem
solchen Austausch für eine oder zwei Wochen
bereit. Manche Gesellschaften wollen sich nicht
in die Karten schauen lassen. Wer mitmacht, muss
tatsächlich kritikfähig sein und sich der Diskussi-
on stellen. Ein Geschäftsführer, der weiß, dass in
seinem Unternehmen etwas nicht gut läuft, ist
möglicherweise weniger bereit, einem Fremden
einen Einblick zu gewähren. Außerdem argu-
mentieren vor allem kleine Gesellschaften, dass
ihre Mitarbeiter unabkömmlich sind. Und es ist ja
auch richtig, dass man in ein solches Projekt Zeit
investieren muss.
In welchen Bereichen können Sie von den
Erfahrungen anderer Unternehmen lernen?
Es geht überwiegend um operative Themen.
Konkret haben wir bei uns den Vermietungspro-
zess deutlich verändert. Früher hatten wir eine
klare Trennung zwischen dem Vermietungsteam
und dem für die Verwaltung zuständigen Team
der Wohnungswirtschaft. Jetzt erfolgt die Woh-
nungsübergabe durch die Wohnungswirtschaft,
so dass der neue Mieter von Anfang an den für ihn
zuständigen Betreuer kennt.
Wie geht es weiter, wenn ein Mitarbeiter von
seinem Aufenthalt bei einem anderen Unter-
nehmen zurückgekehrt ist?
Dann gibt es ein Auswertungsgespräch nicht nur
mit dem Mitarbeiter, sondern auch mit der Ge-
schäftsführung des anderen Unternehmens. Und
der Kontakt zu diesem Unternehmen bleibt dau-
erhaft bestehen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Christian Hunziker.
Interview mit Rando Gießmann
„Wer mitmacht, muss kritikfähig sein“
Die WIWOG Wittenberger Wohnungsbaugesellschaft mbH
setzt regelmäßig auf das Instrument des Mitarbeiteraustauschs.
Was das bringt und was dabei zu beachten ist, erläutert der
WIWOG-Geschäftsführer.
Quelle: WIWOG
Allerdings werden in Nürnberg nicht alle Auszubil-
denden in eine andere Stadt geschickt. Vielmehr
wählt das Unternehmen jährlich zwei aus, die sich
durch ein Motivationsschreiben, gute Noten und
eine positive Beurteilung hervorgetan haben. Sie
können dann aus einer Liste von etwa 20 Partner-
unternehmen in unterschiedlichen Großstädten
auswählen, wo sie ihre Austauschwochen verbrin-
gen wollen.
Ähnlich hält es die Grundstücks- und Gebäude-
wirtschafts-Gesellschaft (GGG) Chemnitz, deren
Bestand rund 25.000Wohnungen umfasst. „Sehr
gute Leistungen werden mit dem Austausch ho-
noriert“, sagt Pressesprecher Erik Escher. Seit
2009 geht jährlich ein Azubi für zwei Wochen zur
Gebäude- und Grundstücksgesellschaft Zwickau,
während ein Lehrling aus Zwickau nach Chemnitz
wechselt. Für die GGG geht es dabei nicht so sehr
darum, dass das Unternehmen etwas davon hat,
sondern dass sich der Auszubildende weiterentwi-
ckeln kann. „ImVordergrund“, sagt Escher, „steht
der Mehrwert für die Auszubildenden.“
Mehrere Unternehmen, ein Projekt
Rando Gießmann in Lutherstadt Wittenberg hat
noch eine weitere Personalentwicklungsmaßnah-
me in seinem Instrumentenkoffer. „Wir haben ein
Teamwork-Projekt durchgeführt, bei dem Fach-
und angehende Führungskräfte sich unterneh-
mensübergreifend mit der Frage befasst haben,
wie eine Unternehmenskooperation in struktur-
schwachen Gegenden aussehen kann“, berichtet
er. „Denn wir müssen uns jetzt damit auseinan-
dersetzen, welche Möglichkeiten wir auf lokaler
Ebene haben, um eine wirtschaftliche Schieflage
zu vermeiden.“
An diesem Projekt waren wiederum Wohnungs-
unternehmen aus demmitteldeutschen Raum be-
teiligt, etwa aus Weimar, Dessau, Naumburg und
Jena. Wäre eigentlich auch eine Kooperation oder
ein Mitarbeiteraustausch mit größeren Unterneh-
men aus anderen Regionen sinnvoll? Da ist Gieß-
mann skeptisch. „Die Unternehmenmüssen schon
mit ähnlichen Problemen zu tun haben, sonst ist
es wenig sinnvoll.“ Eine Anfrage für einen Mitar-
beiteraustausch aus Aachen, erinnert er sich , habe
man auch schonmal freundlich abgelehnt. „Dawäre
uns der Aufwand zu groß gewesen.“
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